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2 b) Erinnerungen  von Rainer Freyer

                

                 an Radio Saarbrücken

                                                          

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Radio Saarbrücken war der erste Rundfunksender, den ich in meinem Leben hörte, und ziemlich lange auch der einzige. Wir hatten in unserer Wohnung in Neunkirchen am unteren Hüttenberg ein Radio, das natürlich fast immer auf Mittelwelle 211 Meter eingestellt war. Dort lauschten wir unserem Heimatsender Radio Saarbrücken, der über die wichtigsten Informati- onen vom Zeitgeschehen aus dem Saarland und aus aller Welt berichtete. Außerdem sendete er über den ganzen Tag verteilt unterhaltsame "leichte" Musik, manchmal auch klassische Stücke aus Oper und Operette. Nur gelegentlich stellten wir den Südwestfunk ein, und donnerstags abends hörten wir gelegentlich das Wunschkonzert aus München.

 

Unser Radio stand im Wohnzimmer, aber mein Vati hatte über ein Kabel einen Zusatzlaut- specher in einer Ecke unserer Küche angeschlossen, sodass wir auch dort Radio hören konnten. Mich selbst interessierte in meinen ersten Lebensjahren natürlich vorwiegend der Kinderfunk: Jeden Sonntag verfolgte ich nachmittags, während meine Eltern auf dem Sofa im Wohnzimmer ihr Mittagsschläfchen hielten, in der Küche ab halb drei die Märchenstunde mit Tante Hilde und den Radiokindern. Sie machten verschiedene Spielchen, und es wurden Geschichten und Märchen erzählt oder als Hörspiel gesendet. Wenn werktags abends um zehn vor sieben der Märchenonkel mit seiner Sendung "Gute Nacht, liebe Kinder" ins Radio kam (siehe auch Seite Radio Saarbrücken im Abschnitt 5 - Kinderfunk), lauschten wir immer andächtig der kleinen Geschichte, die er erzählte. Danach brachte Mutti meinen Bruder und mich ins Bett.

 

Das Foto zeigt unseren Philips BX 511A von damals; er steht noch heute im Hobbyraum meines Hauses. Es war ein Superhet "importé de Hollande", der damals etwa 60 000 Francs kostete. Er hatte neben MW und LW bereits UKW und mehrere Kurzwellenbereiche; letz- tere wohl für die vielen Franzosen, die seiner Zeit noch in afrikanischen Kolonien waren.

In meiner gesamten Kindheit und Jugendzeit war das Radio unser ständiger Begleiter während des ganzen Tages. Als ich mit etwa zwölf Jahren einige Monate wegen einer schweren Gelenkentzündung in der Kinderklinik Neunkirchen-Kohlhof verbringen musste, hatte ich das große Glück, dass mir die liebe Schwester Agnes eines Tages ihr privates kleines Radio von zu Hause mitbrachte und auf meinen Nachttisch stellte. So konnte ich von da an in meinem Krankenbett den Märchenonkel hören und natürlich auch viel Musik! Wir hatten sogar ein gemeinsames Lieblingslied: "Die süßesten Früchte fressen nur die großen Tiere..." (von Peter Alexander und Leila Negra), das damals gerade neu herausgekommen war und oft im Radio gespielt wurde.

 

Zu jener Zeit gab es am Morgen und am Nachmittag noch recht lange Sendepausen im Radio; sie dauerten jeweils zwei bis drei Stunden. Dann wartete ich in meinem Krankenbett immer mit Spannung auf den erneuten Sendebeginn morgens um 11 Uhr bzw. nachmittags um vier oder fünf. Etwa zehn Minuten vorher begann immer das wiederholte Abspielen des Pausenzeichens. Bei Radio Saarbrücken wurden dafür bis 1956 die ersten acht Töne des Volksliedes "Kein schöner Land in dieser Zeit" gespielt, das ich schon von meiner Mutter und aus der Schule kannte.

Pausenzeichen von Radio Saarbrücken: Zum Anhören bitte hier auf den Lautsprecher und dann auf "Öffnen" klicken! >

(Infos über die verschiedenen Pausenzeichen des Saarbrücker Senders: Siehe Seite Radio Saarbrücken 1, Abschnitt 9) Pausenzeichen).

 

Dann endlich kam die Ansage: "Hier ist Radio Saarbrücken. Guten Morgen, liebe Hörer, wir setzen nun unser Programm fort." Danach folgte eine Programmvorschau, und nun begannen die Sendungen. Die morgendliche Sendepause wurde erst ab 1963 ausgefüllt, und zwar durch die damals neue Sendung "90 Bunte Funkminuten" mit Klaus Groth.

 

Aber schon lange vorher fiel in den 50er-Jahren einmal die Sendepause aus. Und das kam so: Es war am Rosenmontag 1958 oder 1959. Radio Saarbrücken sendete schon den ganzen Morgen fröhliche Fastnachtsmusik, und viele Hörer meldeten sich telefonisch im Funkhaus, um sich dafür zu bedanken: "Tolle Musik - macht weiter so!" Ernst Becker erzählte mir, dass er an diesem Tag Dienst in der Tontechnik hatte und sich mit seinen Kollegen über die positive Resonanz zu ihrem Programm freute. Der LvD (Leiter vom Dienst) Alfred Zerndt (siehe Foto auf Seite Radio Saarbrücken im Abschnitt 15b) saß in der Ton-Regie an den Reglern. Bald stand die nachmittägliche Sendepause von 14:30 bis 17 Uhr bevor. Von der Sendeleitung war wohl schon niemand mehr im Haus, als sie plötzlich auf eine verrückte Idee kamen. Der LvD telefonierte mit den Kollegen in Heusweiler und wies sie an, den Sender heute um halb drei nicht abzuschalten, denn es werde "durchgesendet"! Das hatte es zwar noch nie gegeben, aber die Männer in Heusweiler machten mit. Und in der Wartburg legten die Techniker nun auch noch nach 14:30 Uhr non stop Karnevalslieder ohne jede Ansage auf - und die eigentlich vorgeschriebene Sendepause fiel einfach aus! Begeisterte Höreranrufe kamen im Funkhaus an, und so sendeten sie fröhlich weiter. Als sie die Platte "Der Lachende Vagabund" von Fred Bertelsmann spielten, versammelten sie sich im Sprecherraum vor dem Mikrofon und lachten über den Sender mit.

 

So ging es weiter, bis um 17 Uhr das reguläre Nachmittagsprogramm mit dem "Angelus" [1] wieder begann. Kurz vorher kam der damalige Unterhaltungschef Rudi Schmitthenner ins Funkhaus und fragte fassungslos: Was macht ihr denn da??? Und natürlich kassierten sie später eine heftige Rüge vom technischen Direktor des Senders, Ferdinand Glasow (der schon seit 1949 bei Radio Saarbrücken war). Sie konnten froh sein, dass sie nicht auch noch für die zusätzlichen Stromkosten aufkommen mussten, die ihr Alleingang verursacht hatte. Aber in den darauffolgenden Jahren stand am Rosenmontag Nachmittag auch offiziell keine Sendepause mehr im Programm...

[1] zum "Angelus": siehe unsere Seite Radio Saarbrücken ganz unten im Abschnitt16) unter Punkt 3)

 

In den 50er-Jahren gab es anfangs ja noch kein Fernsehen. Und als 1954 die Privatstation „Telesaar“ zu senden begann, konnten wir uns noch kein TV-Gerät leisten. So hörten wir abends weiterhin mit der ganzen Familie Radio Saarbrücken. Dort liefen zum Beispiel an einem bestimmten Tag in der Woche die bekanntesten und beliebtesten Musikstücke im Wunschkonzert mit Paul Heinen (es hieß "Sie wünschen - wir spielen"). Die Hörer konnten sich per Postkarte ihren Lieblingstitel wünschen, und dann hörten wir auf unserem Sender z.B. Lieder und Schlager von Vico Torriani, René Carol, Friedel Hensch und den Cypries, Freddy Quinn, Wolfgang Sauer, Caterina Valente usw., aber auch kurze klassische Stücke wie die Ouvertüre zu Franz von Suppés "Leichter Kavallerie" oder das Zwischenspiel aus Notre Dame von Franz Schmidt, das meine Mutti so gerne hörte.

Paul Heinen

 

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Ende der fünfziger Jahre hieß die Sendung "Vom Telefon zum Mikrofon"; sie wurde von Rudi Schmitthenner moderiert. Das Besondere daran war, dass sich die Hörer durch einen Anruf im Funkhaus einen Titel wünschen konnten, der dann bereits nach wenigen Minuten gesendet wurde - der Weg vom Schallarchiv zum Sendestudio ist in der Wartburg wohl nicht allzu weit gewesen*). Meine schon etwas ältere Tante Paula hatte das System nicht verstanden. Einmal fragte sie erstaunt: "Wie kommt es nur, dass sie dort immer so schnell die Noten zu den gewünschten Stücken bereit liegen haben?" Ihre Kenntnisse der Rundfunktechnik bezogen sich wohl auf den Stand der 30er- und 40er-Jahre, als die Musik tatsächlich noch immer nur von den sendereigenen Orchestern gespielt und live über die Sender zu hören war. Dass aber jetzt die fleißigen Radioleute beim Wunschkonzert die passende Schallplatte in Windeseile vom Archiv zum Studio brachten, um sie dort schon wenige Minuten nach dem Höreranruf abzuspielen, das mussten wir unserer lieben Tante erst mal erklären.  

Das Bild oben (Foto: SR/Werner Dorow) zeigt Rudi Schmitthenner, der damals der Unterhaltungs-Chef von Radio Saarbrücken war.

Der damalige Toningenieur Ernst Becker erinnert sich, dass während dieses Telefon-Wunschkonzerts immer zwei bis drei Leute zwischen dem Sendestudio und dem Schallarchiv, das sich ebenerdig im Hofraum der Wartburg befand, hin- und herflitzten, um die gesuchten Platten möglichst schnell ins Studio zu bringen.

 

Das Programm der Rundfunksender war früher die ganze Woche über an ein festes Schema gebunden. Auch das von Radio Saarbrücken. Musik- und reine Wortsendungen waren meist voneinander getrennt. Einige Sendungen wurden täglich, andere nur an bestimmten Tagen ausgestrahlt. Für jede Zielgruppe unter den Hörern gab es Programme, die sich immer an denselben Wochentagen zu festgelegten Zeiten an sie richteten. So wusste der Zuhörer immer genau, wann er die von ihm bevorzugten Sendungen hören konnte. Die Nachrichten kamen aber noch lange nicht zu jeder Stunde und auch nicht immer zur vollen Stunde (wie heute), sondern auch mal um viertel vor oder um 20 nach. Sie begannen immer mit einem Gongschlag, der Zeitangabe und der Ansage "Radio Saarbrücken. Sie hören Nachrichten." Danach folgte (zumindest nach etwa 1956) sehr oft das Wort "Bonn.", weil die erste Meldung meist aus der damaligen Bundeshauptstadt kam. Abends konnte man ausführlichere Berichte und Kommentare aus dem Saarland, Deutschland, Frankreich und der übrigen Welt in der Stimme des Tages hören. Sie hatte als Zusammenfassung des politischen Tagesgeschehens ihren festen Platz im Programm und kam immer um 19:45 Uhr.

Mehr über Nachrichten und Stimme des Tages finden Sie hier auf unserer Seite Radio Saarbrücken.

 

Auch bestimmte Spartensendungen konnte man täglich zu festen Uhrzeiten hören: Kulturspiegel, Kinderfunk, Schulfunk, Landfunk usw. Es gab sogar einen besonderen "Frauenfunk". Außerdem - natürlich - an jedem Werktag mindestens einen Französischkurs. Dies war in der Saarstaat-Zeit sehr wichtig im Sinne der „pénétration culturelle de la Sarre“.

 

Täglich bis zu viermal (!) wurden Kirchenfunksendungen angeboten, und dazu kam immer sonntags morgens die Direktübertragung eines vollständigen katholischen oder evangelischen Gottesdienstes aus einer saarlän- dischen Gemeinde, meist aus Saarbrücken, häufig auch aus St. Ingbert oder anderen Orten.

 

Das Foto zeigt Christa Adomeit († 2017), eine über viele Jahrzehnte hinweg sehr beliebte Sprecherin bei Radio Saarbrücken. Später moderierte sie etwa zehn Jahre lang die beliebte Hörfunksendung "Morgengruß der Saarlandwelle". Sie war mit dem Sprecher O.K. Müller verheiratet. (Foto: Christa Müller-Adomeit)

 

In unserer Familie hörten wir auf Radio Saarbrücken aber viel lieber andere Programme, z.B. die tollen Hörspiele! Einige waren lustig („Mundartbühne“) und andere spannend („Hörspielkrimis“). In den frühen Jahren wurden sie live aus den Hörspielstudios des Funkhauses in der Wartburg übertragen; später hat man sie dort vorproduziert und dann vom Band gesendet. Oft erkannten wir die Stimmen von Sprechern, die tagsüber auch in den anderen Sendungen zu hören waren, z.B. diejenigen von Maria Ruhmann, Brigitte Dryander, den Weissenbachs oder Günter Stutz. Als Spielleiter sind mir Viktor Lenz und A.C. Weiland im Gedächtnis geblieben.

 

An einem bestimmten Wochentag, ich glaube donnerstags, besuchten unsere Eltern einige Jahre lang das Neunkirchener Eden-Kino. Sie gingen dann immer so gegen acht Uhr aus dem Haus, und wir Kinder blieben alleine. Bevor wir ins Bett krochen, durften wir noch eine Stunde lang Radio hören; aber ja nicht das Krimi-Hörspiel, das immer gerade an diesem Wochentag über Radio Saarbrücken lief! Wir sollten stattdessen den Südwestfunk einschalten, oder Frankfurt oder Stuttgart... Doch wie sehr mussten wir uns jedes Mal am nächsten Morgen beherrschen, um uns nicht zu verraten und unsere verbotenen und deshalb doppelt so aufregenden Hörspielkrimi-Erlebnisse vom Vorabend preiszugeben.

Viktor Lenz, Hörspielleiter

(Foto: Ernst Becker)

 

Werktags warf uns am frühen Morgen immer Ferdi Welter aus dem Bett. "Guten Morgen, liebe Hörer", hieß seine Sendung, und damit die Leute pünktlich zur Arbeit gingen, musste er laufend die genaue Zeit ansagen – was sonst am Tag meist nur zur vollen Stunde geschah. Er aber schlug den Gong auch oft mitten in seiner Sendung, um die gerade vollendete Minute zu verkünden: „Beim Gongschlag war es 6 Uhr 34“. Eines Tages wurde ihm diese Praxis von der Sendeleitung aber untersagt. Doch er hatte schnell Abhilfe gefunden: Er verwendete nun statt des Gongs ein kleines Handglöckchen. (> Mehr zum Gong)

 

Die Musikstücke, die man damals auf unserem Sender hören konnte, waren in verschiedene Sparten aufgeteilt: Volkslieder, Schlager- und Tanzmusik sowie klassische Stücke wurden meist in getrennten Sendungen dargeboten. Samstags lauschten wir oft einem öffentlichen „Bunten Abend“, der - natürlich live - aus dem Großen Sendesaal in der Saarbrücker Wartburg übertragen wurde. Dabei spielten die Rundfunkorchester auf, z.B. das Tanzorchester unter Edmund Kasper oder Manfred Minnich, und es sangen bekannte Schlagerstars, die meist aus der Bundesrepublik angereist waren. Sonntags wurden die beliebten Sinfonie-Konzerte aus der Salle Pleyel in Paris übernommen - für klassische Musik gab es ja noch kein eigenes Programm (wie später SR2 bzw. Studiowelle).

  Ferdi Welter verkündete in seiner   Frühmorgensendung alle paar   Minuten die Uhrzeit. (Foto: SR)

 

Sonntags nachmittags lief von viertel nach fünf bis um sechs die Sendung "Sport und Musik". Moderator war in den 50er-Jahren meist Franz Duhr. Bevor er die richtige Tippreihe im Fußball-Toto durchgab, sagte er fast immer: "So, Oma, holl die Brill, die Tippzahle komme!"Hier können Sie sich seine Stimme noch einmal in Erinnerung rufen

               Zum Anhören bitte klicken> Totozahlen (leider etwas übersteuert)

Die Titelmelodie dieser Sport-Sendung war lange Zeit das gleichnamige Musikstück "Sport und Musik" (von 1951, gespielt vom RIAS Tanzorchester unter Werner Müller):

                                                                    

 

In späterer Zeit wurden die Sportsendungen von Hans Berwanger, danach von Werner Zimmer und weiteren Sportmoderatoren gestaltet.

 

Zum Foto: Franz Duhr moderierte Sportsendungen nicht nur im Radio, sondern auch bei TELESAAR. Das Bild entstand im Fernsehstudio Richard-Wagner-Straße etwa 1958

(Foto: Sammlung Hans-Günter Quirin).

 

Eine Unterbrechung des laufenden Programms, um aktuelle Meldungen sofort zu übermitteln, wenn etwas "passiert" war - das war damals bei Radio Saarbrücken (ebenso wie bei den anderen deutschen Sendern) noch undenkbar. Erst nachdem man die Sendestruktur des ersten SR-Hörfunkprogramms 1964 umgestellt hatte, wurden brisante Meldungen auf der neuen „Europawelle Saar“ mit einem Jingle angekündigt und ins laufende Programm eingestreut: "SR1 - Aktueller Dienst".

 

In der Zeit davor gab es so etwas im Saar-Radio nicht. Die französische Station Europe No. 1, die auf Langwelle sendete, war in dieser Beziehung wesentlich fortschrittlicher. Manche Saarländer schalteten ab und zu gerne auf diesen Sender um, vor allem wegen der flotteren Musik. Eines Morgens (es war der 9. Oktober 1958) hörte ich dort plötzlich die Nachricht: "Le Pape est mort", und die Musik wurde „getragener“. Papst Pius XII. war in Castelgandolfo gestorben. Als ich schnell auf Radio Saarbrücken umschaltete, stellte ich erstaunt fest, dass dort das übliche Programm mit heiterer Musik ganz normal weiterlief. Es dauerte noch eine halbe Ewigkeit - wohl fast eine Stunde - bis die laufende Sendung plötzlich und unvermittelt abgebrochen wurde. Nun hörte man mehrere Male das Pausenzeichen, und danach für eine geraume Zeit nur schwere Orgelmusik. Eine Ansage mit einer Begründung dafür erfolgte zunächst immer noch nicht. Erst zur vollen Stunde, als die regulären Nachrichten begannen, erfuhren auch die Hörer von Radio Saarbrücken, dass der Papst gestorben war. Man hatte wohl so lange gebraucht, um sich auf die Umstellung des Programms vorzubereiten. Wahrscheinlich waren zunächst gar keine Nachrichtenleute im Funkhaus gewesen.


Inzwischen sieht es seit vielen Jahren damit beim SR in dieser Beziehung natürlich ganz anders aus. Der Privatsender Europe No. 1 verfügte dagegen offensichtlich schon in den 50ern über einen echten und gut funktionierenden "Aktuellen Dienst"...

 

Jeden Sonntag um 13 Uhr lief auf unserem Heimatsender Radio Saarbrücken eine Sendung namens "Saarlandbrille". De Zick (Fritz Weissenbach), de Zack (Peter Schmidt) unn es Marieche (Maria Ruhmann) glossierten in einem Gemisch aus Hochdeutsch "mit Striefen drein" und Mundart verschiedene Themen aus dem politischen, kulturellen und gesellschaft- lichen Leben, die in der Woche zuvor im Land eine Rolle gespielt hatten. Sie erzählten häufig auch von einem „Herrn Nieselpriem“, der meist sehr seltsame Ansichten hatte.

Für mich war diese Sendung einige Jahre lag im wahrsten Sinne des Wortes ein echter "Wegbegleiter": Sonntags ging ich in Neunkirchen als Zwölf- bis Vierzehn-Jähriger häufig nach dem Mittagessen zu Fuß von unserer Wohnung unten am Hüttenberg bis zur Willi-Graf-Straße, um bei einem Freund spielend den Nachmittag zu verbringen. In der wärmeren Jahreszeit konnte ich auf meinem Weg dorthin aus den geöffneten Fenstern fast aller Häuser, an denen ich vorbeiging, praktisch lückenlos die "Saarlandbrille" mitverfolgen – von einem Haus zum anderen. Wenn das kein Beweis für die Beliebtheit der Sendung war!

Mehr über diese sonntägliche Sendung (auch mit einem Originalton zum Anhören): siehe unsere Sonderseite zur "Saarlandbrille".

Das Bild oben zeigt v.l.n.r.: de Zack (Peter Schmidt), 's Marieche (Maria Ruhmann) unn de Zick (Fritz Weissenbach).

 

WW

Aber nicht nur die vielen regulären Sendungen waren bei den Hörern sehr beliebt. Auch so manche Werbeeinblendung gehörte dazu. Radio Saarbrücken hatte als zweite deutschsprachige Radiostation am 8. August 1948 Werbefunk-Sendungen ins Programm aufgenommen. Am selben Tag erhöhte man die Sendeleistung des Heusweiler Mittelwellen-Senders von vorher 2 kW auf 20 kW. Die Wirkung der ersten Reklamesendungen von Radio Saarbrücken soll umwerfend gewesen sein: Bei einigen Firmen stieg der Umsatz unmittelbar nach Beginn ihrer Werbeausstrahlungen im Radio auf das Doppelte an; andere sollen mit der Produktion ihrer Waren nicht mehr nachgekommen sein (siehe dazu auch unsere Seite Radio Saarbrücken im Punkt 6: "Der Werbefunk von Radio Saarbrücken hieß "Radio-Reklame").

 

Ich erinnnere mich auch noch an einige andere regelmäßige kurze Werbefunk-Sendungen. Eine hieß "Dop und Döpchen". Es war eine Art Comic-Serie für Kinder und Erwachsene. So etwas ließen wir uns an keinem Tag entgehen! Werner Wiedemann (siehe Foto, er war der "Dop") und ein kleiner Junge (das "Döpchen") spielten kurze lustige Szenen und machten dabei Werbung für ein damals auch im Saarland erhältliches französisches Haarwaschmittel, "Shampoing DOP", nach dem die beiden ja auch ihre Namen erhalten hatten. Auch Hildegard Puth gestaltete mehrmals in der Woche kurze regelmäßige Sendungen mit Tipps für die Hausfrau. Unter diesem Link können Sie sich zwei ihrer Sendungen anhören, deren Aufnahmen durch einen großen Glücksfall erhalten geblieben sind!

 

Das Bild oben zeigt Werner Wiedemann in den frühen 50er-Jahren. Er war in zahlreichen Sendungen der Radioreklame zu hören.

(Foto: Landesarchiv Sbr., Weißenbach-83)   

 

"Das Radio" hat mich schon als kleines Kind fasziniert. Lange Zeit konnte ich mir nicht erklären, wieso Stimmen und Musik aus dem Radio zu hören waren. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass da kleine Männchen als Sprecher und Musiker in diesem winzigen Kasten sitzen sollten. Es kam mir wie ein Wunder vor, und es vergingen noch mehrere Jahre, bevor ich die wirklichen Zusammenhänge verstand. Da ich gerne ein eigenes Radio haben wollte, begann ich unter Anleitung von älteren Freunden mit dem Bau eines Kristall-Detektor-Radios. Was für ein tolles Erlebnis war es für mich, als die ersten krächzenden Töne daraus im Kopfhörer erklangen! Und was bekam ich da als erstes zu hören? Natürlich die mir so bekannten Stimmen von unserem Heimatsender Radio Saarbrücken... Diese erste Begegnung mit der Funktechnik faszinierte mich so sehr, dass ich mich später in meiner Freizeit zum Funkamateur ausbilden ließ und nach Ablegung der Amateurfunk- Prüfung dieses Hobby mehrere Jahrzehnte lang als DL8EJ mit viel Elan und Leidenschaft betrieb (siehe auch unsere Seite über den Amateurfunk!) Dieses Steckenpferd ist bei mir inzwischen zur Ruhe gekommen – aber die Sendungen von Radio Saarbrücken bzw. der Hörfunkprogramme des SR, begleiten mich noch heute den lieben langen Tag hindurch.

 

 

  

 

"Sarre" als Stationsangabe für Radio Saarbrücken auf

 einem "Régional 55"-Radio von 1955  (Foto: Erhard Pitzius)

           

 

 


 

Hinweis: Dem Verantwortlichen dieser Website liegt eine bezahlte GEMA-Lizenz für die Wiedergabe von Tonaufnahmen vor.

 

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Inhalt des Kapitels RADIO UND FERNSEHEN:

 

1)  Geschichte des Rundfunks im Saarland (von 1929 bis 1959 und später)

  

2)  Radio Saarbrücken:

 

     a)  Radio Saarbrücken - der Heimatsender der Saarländer

     b)  Radio-Erinnerungen

     c)  Reporter und Übertragungswagen

     d)  Die Familie Weissenbach  (die beliebten Moderatoren Gerdi und Fritz)

     e)  Die Saarlandbrille  (beliebte Sonntagssendung mit "Zick, Zack & Marieche")     

      f)  Die Wartburg (das Funkhaus von Radio Saarbrücken)

     g)  Die Orchester der Saarbrücker Radiosender

     h)  Der Mittelwellen-Sender Heusweiler

      i)  Bilder vom Heusweiler Sender

 

3)  Fernsehen im Saarland der 50er Jahre: Von TELESAAR zum SR-Fernsehen

 

4)  Europe 1

     a)  Der private französische Langwellensender Europe No 1     

     b)  Die Antennen-Anlage von Europe 1 - Mastbruch 2012

  

5)  Radio- und Fernsehgeräte aus saarländischer Produktion

 

Diese Seite wurde 2007 begonnen und zuletzt bearbeitet am 6.9.2020

 

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