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(Foto: R. Freyer) |
Der
Tag X (6. Juli 1959):
Wirtschaftlicher
Anschluss an Deutschland
Der
Tag, an dem die D-Mark ins Saarland kam |

(Foto:
L.A.Sbr., Bildersammlg.)
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Das Wichtigste vorweg - offizieller Umtauschkurs: Für 100 Francs erhielt man 0,8507 DM, oder: 1 DM "kostete" etwa 117 Francs.
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Im Artikel 1 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und der Französischen Republik zur
Regelung der Saarfrage vom 27.10. 1956 (Luxemburger
Saarvertrag) hatte
sich Frankreich damit einverstanden erklärt, dass
sich der Anwendungsbereich des Grundgesetzes der Bundesrepublik
Deutschland vom 1.
Januar 1957 an
auch auf das Saarland erstrecken sollte. So war an diesem
Tag der politische
Beitritt erfolgt: Das Saarland wurde zum zehnten Land der Bundesrepublik
Deutschland (oder zum elften, wenn man West-Berlin mitzählt: Erläuterung dazu siehe hier.) - Einzelheiten zur politischen Angliederung lesen Sie auf der Seite Ergebnisse und Folgen. Den vollständigen Wortlaut des Saarvertrages
finden Sie unter http://www.verfassungen.de/de/saar/vertrag56.htm.
Der "wirtschaftliche Anschluss" an die Bundesrepublik erfolgte erst gut zweieinhalb Jahre nach der politischen Eingliederung. An dem so genannten "Tag X" wurde die Grenze zwischen dem Saarland und Rheinland-Pfalz wieder geöffnet, und die D-Mark wurde im Saarland als Währung eingeführt.
a) Die Übergangszeit
zwischen
der politischen und der wirtschaftlichen Angliederung
(1957 bis 1959)
In dem genannten Saarvertrag war
eine höchstens dreijährige Übergangszeit
vorgesehen, während
der das Saarland und Frankreich weiterhin ein einheitliches Wirtschafts-,
Währungs- und Zollgebiet bildeten. Diese Übergangszeit sollte
zur Vorbereitung des wirtschaftlichen
Anschlusses der
Saar an Deutschland dienen und spätestens am 31.
Dezember 1959 enden. Das Kuriosum dieser Zeit war, dass die Menschen im Saarland
jetzt zwar deutsche Staatsbürger waren und bundesdeutsche
Pässe besaßen, die Waren in den Geschäften
und Kaufhäusern sowie Rechnungen und Dienstleistungen
aber nach wie vor mit französischen Franken bezahlten.
Es war also tatsächlich so, dass in einem kleinen Teil der Bundesrepublik französisches Geld die gültige Währung darstellte. Außerdem mussten im Saarland
für viele bundesdeutsche Erzeugnisse immer noch
Einfuhrzölle entrichtet werden - obwohl es ja eigentlich
schon deutsches "Inland" war -, während
französische Produkte weiterhin zollfrei eingeführt
werden konnten. Auch die französischen Wirtschaftsgesetze
behielten weiter Gültigkeit an der Saar, aber
man begann allmählich schon damit, den wirtschaftlichen
Austausch zwischen dem Saarland und der restlichen BRD
zu erleichtern.
Während dieser
Übergangszeit wurde die Anpassung der
französisch ausgerichteten Saarwirtschaft
an die soziale Marktwirtschaft der Bundesrepublik vorbereitet. Die dafür notwendigen gesetzlichen Maßnahmen mussten eingeleitet werden. Das Bundeskabinett verabschiedete einige wichtige Saargesetze, die Bundestag und Bundesrat
billigten, und in Frankreich und im Saarland
traf man ebenfalls rechtliche Vorkehrungen. Auch die Lohnkosten und das Sozialgefüge mussten an die bundesdeutschen
Gegebenheiten angepasst werden.
Im Saarvertrag war
festgeschrieben, dass das genaue Datum der Beendigung dieses
Interimszeitraums von den Regierungen der
beiden Staaten im gegenseitigen Einvernehmen
festgelegt und bekanntgegeben werden sollte.
Es wurde allgemein erwartet, dass dieser
Tag auf einen Termin vor dem 31.12.1959 festgesetzt werden
würde. Das genaue Datum lag aber vollkommen
im Dunkeln. Aus diesem Grund wurde der mit
Spannung erwartete Tag in der Bevölkerung
als
"Tag
X"
bezeichnet. |
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b) Wann kommt
endlich die lang ersehnte D-Mark?
Je länger die Übergangszeit
dauerte, umso ungeduldiger wurden die Saarländer,
die endlich auch in ihrem Land zollfrei deutsche Waren
mit deutscher Währung kaufen wollten. Sie warteten
sehnsüchtig darauf, die "Früchte"
des deutschen Wirtschaftswunders auch an der Saar genießen
zu können. Deutsche Produkte versprachen gute Qualität,
französische dagegen hielt man für eher minderwertig.
Außerdem verlor der Franken durch die fortschreitende
Inflation immer mehr an Wert, und deshalb wünschte
man sich eine baldige Loslösung aus seinem Wirtschaftsbereich.
Um besser disponieren zu können,
forderte die Saarwirtschaft, dass der "Tag X"
rechtzeitig bekanntgegeben werde. Vieles
deutete aber darauf hin, dass die Franzosen diesem Wunsche
nicht entsprechen würden. Und tatsächlich
erfolgte die Bekanntgabe erst ganz kurz vor dem Termin
selbst, wohl um Spekulanten keine Chance auf einen Vorsprung
zu geben. Allerdings kann man vermuten, dass in manchen
Kreisen das Da- tum "inoffiziell" doch schon
einige Zeit vorher bekannt war. Mit Kurierpost war am
Donnerstag (2. Juli) in der Saarbrücker Staatskanzlei
ein als geheim gekennzeichnetes Schreiben des französischen Außenministeriums eingegangen,
in dem das Datum und die Uhrzeit der Umstellung mitgeteilt wurden. Die Veröffentlichung erfolgte aber erst zwei Tage später. In den Zeitungen häuften sich bis dahin die Gerüchte um den Termin.

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Am
Samstag, dem 4. Juli 1959, um 10:30 Uhr war
es dann so weit. Radio Saarbrücken sendete eine kurze Ansprache
des Bundeswirtschaftsministers Ludwig Erhard. Danach verkündete Ministerpräsident Dr. F. J. Röder
in einer live übertragenen Pressekonferenz
offiziell den Zeitpunkt:
Die Umstellung sollte dam Montag, dem 6. Juli 1959, um 0:00 Uhr stattfinden.
Die Bekanntgabe erfolgte also weniger als zwei Tage vor dem eigentlichen Termin. Dies war so kurzfristig (und zudem an einem Samstag), dass die meisten Blätter erst am Montag darüber berichten konnten. Die Saarbrücker Zeitung schrieb in ihrer regulären Samstagsausgabe nur, es sei "mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit" anzunehmen, dass der Termin noch
im Laufe des Tages bekanntgegeben werde. In eilig gedruckten und am Samstag Nachmittag kostenlos verteilten
Sonderblättern einiger Zeitungen konnte man vorab die wichtige Neuigkeit lesen. Erstaunlicherweise titelte allerdings die in Homburg erscheinende "Westpfälzische
Rundschau" bereits an diesem 4. Juli in ihrer regulären
Samstagsausgabe:
"Bonn: Am Sonntag
um 24 Uhr.
Einzelheiten der Saar-Rückgliederung
werden heute amtlich über den Rundfunk bekanntgegeben." Wir wissen nicht, wie die Redaktion so früh schon an diese Information gekommen war, oder ob sie vielleicht nur gewagt hatte, eine Vorausahnung als echte Nachricht zu veröffentlichen...
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In den meistenTageszeitungen erschien diese
Meldung erst am Montag, 6. Juni 1959, so wie hier
zum Beispiel in der "Allgemeinen Zeitung".
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Die ursprünglich auf maximal drei Jahre angesetzte Übergangszeit war damit also - wie allgemein erwartet - abgekürzt worden, und zwar ziemlich genau um ein halbes Jahr. So dauerte sie nur zweieinhalb Jahre (oder 30 Monate bzw. 916 Tage).
Wenn auch das exakte Datum vorher
nicht publik gemacht worden war, so hatten sich doch
alle am Geldumtausch beteiligten Stellen gut darauf vorbereitet,
und die notwendigen Vorkehrungen konnten kurzfristig getroffen
werden. Nun überstürzten sich die
Ereignisse. Am frühen Sonntagmorgen (5. Juli 1959)
wurde in etwa 100 Fahrzeugen des Bundesgrenzschutzes deutsches Geld in Höhe von fast 580 Millionen DM ins Saarland gebracht. Die gesamte Aktion der Währungsumstellung wurde von einem international besetzten "Paritätischen Währungsausschuss" beaufsichtigt. Die Deutsche Bundesbank war für die Belieferung der 659 Umtauschstellen im Land mit dem neuen Geld verantwortlich. Der Großtransport der D-Mark lief unter dem Tarnnamen "Mairegen" und wurde vom Bundesgrenzschutz bewacht, der auf dem Saarbrücker Messegelände mit 500 Mann Quartier bezogen hatte.
Lesen Sie über Einzelheiten zu den Aktivitäten des Bundesgrenzschutzes am Tag X im Saarland in einem Artikel des Göttinger Tageblatts vom 7. Juli 2009, den Sie > unten auf dieser Seite finden.
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Am Montag, 6. Juli, war auf der Titelseite der Saaarbrücker Zeitung zu lesen:

Als gestern morgen
die Saarländer an den Zufahrtsstraßen
von der Bundesrepublik her sich den Schlaf
aus den Augen rieben, gewahrten sie, wenn
sie Glück hatten, ein "militärisches"
Schauspiel: Gegen halb 7 sind über 20 Fahrzeuge
des Bundesgrenz- schutzes, beladen
mit Säcken voll DM über die Saargrenze
bei Homburg gerollt. Schwer bewaffnete Grenzschutzbeamte,
mit Maschinenpistolen ausgerüstete
Motorradfahrer, Funkstreifenwagen und Kommandofahrzeuge
sicherten die von saarländischen Polizisten
durch das Land gelotsten Transporte zu den über 500 Umtauschstellen. Vielerorts lautete der Weckruf gestern morgen nicht wie sonst "Aufstehen, Kaffee trinken!", sondern "Die DM ist da!" Auch über die anderen Übergänge kamen etwa
um die gleiche Zeit vom Grenzschutz gesicherte
Geldtransporte, die rund 580 Millionen DM
in das Saarland brachten. Aus Karlsruhe,
Landau, Neustadt und Pirmasens kamen die
Transporte, die bei Einöd über
die Grenze gingen. Alle Straßen waren
polizeilich gesichert, sogar in der Luft
schwebten drei Hubschrauber, deren Piloten
die Konvois ständig im Auge behielten. (SZ vom 6. Juli 1959)
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Fotos von den Geldtransporten:

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Über zwanzig Fahrzeuge
des Bundesgrenzschutzes bringen am 5. Juli 1959 die D-Mark ins Saarland. Bewaffnete
Polizei- und Grenzschutzbeamte überwachen
das Abladen der Geldsäcke, hier vor
der Zweigstelle St. Ingbert der Rediskontbank.
(Fotos:
Gerd Schulthess) |
Bei der Zweigstelle Dudweiler
der Kreissparkasse Saarbrücken und bei der
Volksbank Dudweiler werden die D-Mark-Säcke abgeladen.
Rechts neben der Bank ist das Kino NHT (Nassauer-Hof-Theater) zu sehen. Mehr dazu auf unserer Kino-Seite. (Fotos:
Bildarchiv der Bezirksverwaltung Dudweiler)

In der Saarbrücker Mainzer Straße warten mehrere Geldtransport- Fahrzeuge des Bundesgrenzschutzes mit Polizeibegleitung. Links ein Peugeot 403 Kombi der Saarbrücker Polizei mit dem Kennzeichen SB 3102. Das Nummernschild am Motorrad eines bundesdeutschen Grenzschutzpolizisten trägt das Kennzeichen BG 10-J63.
In der Bildmitte ist das Gebäude der Saarbrücker Herrenbekleidungs-Firma Taylor Hoff zu sehen, das damals in der Mainzer Straße 180 ansässig war. Die Aufschrift auf der Wand des Hauses lautet: "Die Herrenkleidung Taylor Hoff ...in guten Fachgeschäften".
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Die meisten Beschäftigten
der Banken und Sparkassen hätten die- sen
Sonntag sicher viel lieber im Freibad verbracht,
denn es war ein wirklich "heißer"
Sonntag mit Temperaturen über 30 Grad.
Aber sie mussten zur Arbeit gehen, Geldsendungen
in Empfang nehmen und Vorbereitungen zum
Geldumtausch treffen.
Auch in den Geschäften
und Kaufhäusern wurde an diesem Sonntag
gearbeitet, denn man musste sämtliche Preise
an den Waren in Regalen und Schaufenstern auf die neue DM-Währung umstellen.
Am Nachmittag konnten manche Saarländer sehen, wie am Himmel
plötzlich Düsenjäger auftauchten und mit ihren Kondensstreifen ein großes X in
die Luft zeichneten. Zwei Zeitzeugen berichteten uns unabhängig voneinander davon. Näheres ist bisher nicht bekannt. (Wissen Sie etwas darüber? >Kontakt.)
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Bild rechts: Auf den Banken wird der Empfang der erhaltenen Geldsäcke quittiert. (Foto: Landesarchiv Saarbrücken, Oettinger.)
c) Sonntagnacht, 5. Juli 1959, 24 Uhr: Es ist so weit!
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Am Grenzübergang
Eichelscheid finden sich in dieser
Nacht Tausende von Menschen ein.
Radio Saarbrücken berichtet live.
Um 24 Uhr klettert Ministerpräsident Dr. Franz-Josef
Röder
auf einen Pfosten des Schlagbaums und hält
eine kurze Ansprache:
"Meine
lieben Landsleute! In diesem Augenblick
fällt die letzte Schranke, die uns
noch von dem übrigen Bundesgebiet getrennt
hat. Damit ist auch das Saarland uneingeschränkt
ein deutsches Bundesland geworden."
Als Antwort erschallte ein vielstimmiges "Bravo!" aus der Menge.
Zum Anhören: a) kurz (nur
F.J.Röder) >
/
b) lang (mit
Reporter) > 
In dieser Nacht
wurde nach 12½ Jahren die Abtrennung
des Saarlands vom deutschen Wirtschaftsraum
beendet -
zum zweiten Mal in diesem Jahrhundert...
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Foto rechts: Ein brüderlicher Handschlag zwischen saarländischen Grenzpolizisten und französischen
Zollbeamten beim Öffnen des Schlagbaums in der
Nacht vom 5. auf den 6.7.1959.
(Fotos: Landesarchiv Saarbrücken, Julius C. Schmidt bzw. Presse Foto Actuelle. Die Tondokumente
hat uns Gerd Schulthess, St.
Ingbert, im Jahr 2009 aus seiner Tonbänder-Sammlung zur Verfügung gestellt.)
d) "Made in
Germany" und das deutsche Wirtschaftswunder fallen
ins Saarland ein
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Im Laufe des Sonntags
begannen zahlreiche Händler und Ver- treter
aus der Bundesrepublik damit, eine regelrechte
Invasion
des Saarlands vorzubereiten. Sie fuhren mit
vollgeladenen Liefer- und Lastwagen zu den
Grenzübergängen und bildeten dort
vor den Schlagbäumen endlos lange Kolonnen,
die sich z.B. von Eichelscheid bis in den
Ort Bruchmühlbach hinein stauten. Alle
warteten ungeduldig auf den Glockenschlag
um 24 Uhr, der die Straßen zum "Aufbruch"
ins Saarland freigeben würde. Geladen
hatten sie all das, was sie endlich zollfrei
den Saarländern anbieten wollten, all
die begehrten Waren, auf die diese bisher
verzichten mussten, weil sie wegen der Einfuhr- zölle
zu teuer waren: Radios und Fernsehgeräte,
Kühlschränke (damals nannte man
sie noch "Eisschränke"),
Fahrräder, Motorräder und Zubehörteile,
Möbel u.v.m. Auch auf saarländischer
Seite bildeten sich LKW-Schlangen mit Produkten
der Eisen- und Stahlindustrie für
Empfänger in Deutschland. |
Der Rheinische Merkur schrieb am folgenden Tag, etwa 2000 LKW hätten in jener Nacht an den verschiedenen Grenzübergängen gewartet. Die SZ berichtete am 7. Juli, dass am Montag von Mitternacht an fast ununterbrochen LKW und Lieferwagen aus der BRD über die (nicht mehr vorhandene) Grenze an die Saar gerollt seien. Bis Montagmittag hätten nach Angaben des Innenministeriums bereits mehr als 2500 LKW die sechs größten ehemaligen
Grenzübergänge zwischen der Saar
und Rheinland-Pfalz passiert. In Saarbrücken und einigen anderen Gemeinden sei schon vor 7 Uhr morgens mit dem Entladen der Wagen begonnen worden.
Foto: Hans Dechent (links) und Udo Voigt steuern kurz nach Mitternacht am Tag X den ersten Opel Rekord über die jetzt offene Grenze ins Saarland. (Foto: Autohaus Dechent)
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Hagen Rupp aus
Limbach bei Kirkel berichtet:
"Dieses Bild
wurde am Tag X, genau um Mitternacht, am
damaligen Grenzübergang Zweibrücken-Einöd aufgenommen. Es zeigt
das erste Fahrzeug, das nach Entfernung
des Schlagbaums die "Grenze" überquerte.
Am Steuer Oskar Grub, Gründer des Möbelhauses
Grub in Limbach bei Homburg. Auf dem Trittbrett
Herbert Paulus, mein inzwischen 80-jähriger
Onkel, der damals beim Möbeltransport
geholfen hat. Die Möbel waren in der
Pfalz bereitgelegt und wurden dann zur Grenze
gebracht, wo man vor dem Schlagbaum wartete,
bis dieser um Mitternacht aufging und die
Möbel erstmals ohne Formalitäten
ins Saarland verbracht werden konnten."
(Foto: Hagen Rupp)
Informationen
über den Fahrzeugtyp Tempo Matador sind auf
der Seite Nutzfahrzeuge (ganz unten).
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e) Eine Grenze wird abgebaut, eine andere wird eingerichtet

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In der Nacht vom
Sonntag (5. Juli) auf Montag (6. Juli) wurde
die Grenze zwischen dem Saarland und Rheinland-Pfalz wieder für den ungehinderten Personen- und Waren- verkehr geöffnet. Gleichzeitig
baute man die frühere Grenze zwischen dem Saarland und Frankreich wieder auf.
Die Zollstationen wurden also
praktisch nur von der einen zu der anderen
Grenze verschoben.
Dabei wurden die
Zollbeamten nicht etwa arbeitslos, nur ihre Arbeitsstätte wurde um einige Kilometer zur anderen Seite des Saarlandes hin verlegt. Schon im Laufe des Sonntags fuhren die ersten
Möbelwagen umziehender Zolldienststellen
durch das Land, deutsche beispielsweise von Zweibrücken
nach Großrosseln, und französische von Einöd z.B. nach Forbach.
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Die Kontrollstellen an der Grenze nach Frankreich übernahm auf deutscher Seite der Bundesgrenzschutz, der zunächst nur provisorische Abfertigungsstellen einrichtete. Von den neuen festen Zollhäusern standen anfangs meist nur die Fundamente.
Bis zu ihrer Fertigstellung verrichteten die Zöllner
ihren Dienst häufig in Omnibussen, die zu Bürowagen
umgebaut worden waren.
(Foto aus: Dieter Staerk, Das Saarlandbuch. Saarbrücken 1990. S. 243.)
f) Beginn des Geldumtausches:
am Tag X um 10 Uhr

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Schlangen von
Umtauschwilligen in einem Saarbrücker
Kreditinstitut.
(Foto: Landesarchiv
Saarbrücken, Bildersammlung) |
Hinweistafeln
standen schon am Sonntag auf den Bürgersteigen.
(Foto:
Gerd Schulthess, St. Ingbert.) |
Das lange erwartete
deutsche Geld konnten die Saarländer
(und nur diese waren dazu berechtigt) vom
darauffolgenden Tag an (Montag, 6.7.59)
ab 10 Uhr vormittags bei den Banken und
Wechselstuben gegen ihre französischen
(und saarländischen) Franken eintauschen, und zwar zum offiziellen Kurs von
100 : 0,8507. Das bedeutete:
Für 100 Franken erhielt man 0,8507 DM,
oder: 1 DM "kostete" etwa 117 Francs.
An zahlreichen Orten
wurden Sonderschalter eingerichtet und Gaststätten
in provisorische Bankschalter umgewandelt.
Vor den Wechselstellen und Banken bildeten
sich am frühen Montagmorgen lange Schlangen,
die aber in den Nachmittagsstunden meist
wieder schrumpften. Mancherorts gingen die
D-Mark-Vorräte bereits im Laufe des
ersten Tages zur Neige, sodass man auf Nachschub
warten musste.
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In den ersten Tagen
wurden nur Geldscheine und 100-Franken-Stücke
zum Umtausch angenommen, erst danach auch
die kleineren Münzen. Der Bar-Umtausch war zunächst
auf 50.000 frs. pro Person beschränkt;
wer mehr umtauschen wollte, bekam den darüber
hinausgehenden Betrag auf ein Namenskonto
gutgeschrieben, über das aber sofort
verfügt werden konnte. Da die meisten
Saarländer damals noch kein eigenes
Bankkonto besaßen, mussten zahlreiche
Sonderkonten eingerichtet werden, was für
die Angestellten der Kreditinstitute viel
zusätzliche Arbeit bedeutete.
Die Umstellung der
Guthaben, die sich auf privaten Kundenkonten bei Banken und Sparkassen befanden,
erfolgte zum Währungsstichtag in voller Höhe und ebenfalls auf der Basis des offiziellen Wechselkurses. Dies galt im
Normalfall auch für die Sparguthaben der Saarländer. Es gab
allerdings eine kleine lukrative
Variante: Die saarländischen Banken
hatten im Laufe der Übergangszeit einen
massiven Abfluss von Spareinlagen festgestellt.
Wegen des fortschreitenden Wertverlusts
des französischen Franken gegenüber
den anderen internationalen Währungen
hatten sich viele Saarländer um die
Erhaltung der Kaufkraft ihrer Ersparnisse
gesorgt und diese deshalb schon lange vor dem
erwarteten Tag X in grenznahen deutschen
Städten in "harte" D-Mark
umgetauscht und auf neu eröffneten
Sparkonten bei den dortigen Sparkassen angelegt.
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Um diesem unerwünschten Trend entgegenzuwirken, hatte sich der bundesdeutsche Wirtschaftsminister Ludwig Erhard ein wirksames Verfahren ausgedacht:
Er versprach den Saarländern, dass sie für ihre vorhandenen Sparguthaben am Tag X einen günstigeren Umrechnungskurs
erhalten würden, nämlich nicht nur 0,85 DM, sondern 1 DM
für 100 Francs. Dieser Kurs galt aber nur für diejenigen Sparbeträge, die sie bereits vor dem 19. Dezember 1958
bei einem saarländischen Kreditinstitut
angelegt hatten und bis zum Tag X dort belassen
würden. Mit diesem "Geschenk"
sollten die ängstlichen saarländischen Sparer beruhigt werden. Am 30. Juni 1959 erfolgte die Bestätigung dieses Verfahrens durch den Deutschen Bundestag mit dem "Gesetz zur Sicherung von Ersparnissen" (BGBl. 1, Seite 367).
Auch Geschäftsguthaben wurden am Tag X zu einem
günstigeren Kurs umgetauscht: Für
100 Frs. gab es 0,95 DM, bei einigen Banken sogar 1,00 DM. Somit kann man festhalten, dass der ungünstige offizielle Wechselkurs von 100 zu 0,8507 eigentlich nur für Guthaben auf privaten Bankkonten galt sowie für Bargeld, welches die Leute zu Hause oder in ihrem Geldbeutel hatten.

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Bild rechts oben: Umrechnungstabellen nach dem offiziellen Kurs wurden in den Zeitungen veröffentlicht und in kleinen Broschüren für wenige Pfennige z.B. an Zeitungskiosken verkauft.
Zu der Anzeige links:
Manche Firmen - wie hier Möbel Ott in Sulzbach - versuchten vor dem Tag X, Kunden mit dem verlockenden Angebot zu ködern, noch in Frankenwährung Anzahlungen auf Gegenstände zu leisten, die sie sich dann nach der Währungsumstellung aus dem neuen Angebot von Waren aussuchen konnten. Dafür sollte der günstigere Kurs von
1:100 angewandt werden
(also 1 DM für 100 Franken).
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Bild rechts: In solchen Papieren wurden je hundert Münzen in der neu eingeführten D-Mark-Währung gerollt; hier mit einem guten Wünschen der Kreissparkasse Saarbrücken zum "D-Mark-Start" am Tag X versehen.
(Foto: Erhard Pitzius)
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Der gesamte Geldumtausch war 10 Tage nach dem Tag X abgeschlossen. Er verlief reibungslos und ohne organisatorische Probleme.
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g) Was geschah mit den umgetauschten Franken aus dem Saarland?

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Insgesamt wurde
in den Umtauschstellen eine Summe von 30.498.000.000 (also fast
30,5 Milliarden) Francs in knapp 260 Millionen
DM umgetauscht (in anderen Berichten wird
sogar von 578 Millionen umgetauschten DM gesprochen). Die eingesammelten französischen Franken-Scheine und
-Münzen sowie die Saar-Franken wurden zunächst in
der Zweigstelle St. Ingbert der Landeszentralbank
gesammelt.
Später wurde
dieses Geld gemäß den Vereinbarungen
im Luxemburger Saarvertrag an die Banque de France in Paris abgeführt.
Der sich daraus ergebende Betrag stellte einen Teil der vertraglich vereinbarten Zahlungen der Bundesrepublik an Frankreich aus Anlass der Rückgliederung des Saarlandes an die BRD dar.
Foto: In saarländischen
Polizeifahrzeugen wurden die Francs zur
französischen Grenze gebracht und von
dort mit dem Zug nach Paris. (Landesarchiv
Sbr., Julius C. Schmidt) |
h) Nach der Vorfreude auf die DM kam die Ernüchterung: Es gab negative Folgen für Arbeitnehmer
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1) Zahlreiche Preiserhöhungen nach dem Tag X
Wie die folgenden Bilder zeigen, wurde in vielen Schaufenstern der Geschäfte versichert, dass man die Preise der Waren fair und nach dem offiziellen Wechselkurs umrechnen würde, und meistens wurde auch tatsächlich der korrekte Umrechnungskurs angewandt.
Aber das war leider nicht überall so: Viele Kaufleute, Kaufhäuser und Gaststätten nutzten die Gunst der Stunde und rechneten ihre Preise nicht zum offiziellen Kurs (100:0,85) um, sondern einfach zum Kurs 100:1. Das heißt, was vorher 100 Franken gekostet hatte, kostete jetzt 1 DM (statt "ehrlicher" 85 Pfennig), und dies kam einer heimlichen Preiserhöhung von fast 18 Prozent gleich. Der schlechtere Kurs wurde sogar für staatliche Dienstleistungen angewandt, beispielsweise bei den Fahrpreisen der Eisenbahn (die Tarife der Bundesbahn für den Berufsverkehr waren höher als die im Saarland) und der öffentlichen Nahverkehrsbetriebe, sowie bei den Posttarifen.
Hinzu kam, dass die Mehrzahl der Grundnahrungsmittel vorher im Saarstaat genauso wie im übrigen französischen Wirtschaftsraum subventioniert und zusätzlich geringer besteuert worden waren. Nach der Rückgliederung fielen diese Vergünstigungen weg, und die Preise für Brot, Mehl, Zucker, Kaffee, Tabakwaren, Bier usw. wurden an die (höheren) deutschen Preise angepasst.
Die Leute stellten schnell fest, dass die Preiserhöhungen ihre Lebenshaltungskosten erheblich verteuerten und begannen bald, mit Demonstrationen und Protestschreiben dagegen zu protestieren. Unter anderem wurde in verschiedenen Orten zum "Bierstreik" aufgerufen, und viele Raucher drehten demonstrativ ihre Zigaretten selbst.
(Mehr zu den Protesten weiter unten im Abschnitt "Proteste,
Streiks und Demos")
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Das Kaufhaus Gebr.Sinn textete in seinen
Schaufenstern: "Und wieder können
wirs beweisen, noch preiswerter zu DM-Preisen.
/ Einfach toll, unsere Leistungen zu DM-Preisen.
Unsere Lastwagen rollen laufend mit deutscher
Ware an./ Hier der Beweis - noch günstiger
der DM-Preis" (Fotos: Gerd Schulthess) |

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Zu den Werbezetteln unten: Auch beim ASKO (Allgemeiner Saar-Konsum)
wurden die Preise korrekt umgerechnet. Bei
manchen Waren erfolgte sogar eine Reduzierung
der Preise, wie man anhand der mit den alten
und neuen Preisen versehenen Werbezettel
leicht nachrechnen kann.
Die farbigen Zettel unten sind aus der Sammlung von Gerd Schulthess.
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Das Foto links
stammt aus einem Film, der beim Landesfest
2007 in der Innenstadt von Saarbrücken
gezeigt wurde. Foto rechts: Landesarchiv
Saarbr., Julius C. Schmidt
In diesem Obst-
und Gemüseladen (links) sowie auf dem
Markt (rechts) wurde ziemlich genau umgerechnet.
Die Zeichen auf
der linken Tafel im Bild rechts sind wie
folgt zu lesen: ein Pfund 300 Francs oder
250 Pfennige (2,50 DM). |
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2) Viele Saarländer verfielen in einen ungebremsten Kaufrausch und
gerieten in die Schuldenfalle.
Der saarländische Markt wurde nun mit allen möglichen Produkten bundesdeutscher Firmen überschwemmt, pausenlos wurden große Mengen von deutschen Waren mit LKWs ins Saarland gebracht. Die Saarländer griffen gerne zu und kauften, was das Zeug hielt: Radios, Fernseher, Waschmaschinen, Staubsauger, Küchenmaschinen, Kühlschränke, Kleidung, Schuhe und Autos. Sie freuten sich darüber, dass sie jetzt endlich die guten deutschen
Qualitätsmarken nicht mehr wie bisher jenseits der (nunmehr gefallenen) Grenze kaufen und entweder verzollen oder schmuggeln mussten, sondern sie gleich daheim im Kaufladen um die Ecke kaufen konnten. Verwandte, Freunde und vor allem Versandhäuser wie Quelle oder Neckermann schickten Unmengen von Paketen mit deutscher Ware - die Post hatte in der ersten Zeit nach dem Tag X zwanzigmal mehr Pakete auszuliefern als vorher.
Von Mitternacht am Tag X an fielen Unmassen von seriösen Kaufleuten, aber auch mit allen Wassern gewaschenen Händlern und skrupellosen Vertretern ins Saarland ein, um dessen Bewohner mit ihren "exklusiven" Angeboten zu überfallen. Mit Werbegeschenken und unlauteren Methoden aller Art versuchten sie nach Manier von Bauernfängern ihre Waren - manchmal waren es die letzten Ladenhüter - zu angeblichen Sonderpreisen an den Mann zu bringen.
Man musste den Eindruck bekommen, dass sie die Saarländer regelrecht "melken" wollten.
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Zahlreiche Menschen im Saarland konnten den Versuchungen nicht widerstehen und kauften mehr, als sie mit dem ihnen zur Verfügung stehenden Geld bezahlen konnten. Und plötzlich waren Ratenkäufe an der Tagesordnung. Man sagt, dass mehr als ein Viertel der Kunden auf Kredit einkaufte. Und so gerieten zahlreiche saarländische Familien schnell in die Schuldenfalle.
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Christian Rumler, heute Tirol, schreibt uns zu diesem Thema:
"Bei der Einführung der DM in der ehemaligen DDR im Juli 1990 meinte mein Vater: Genauso war es damals, als die Saar angeschlossen wurde: Als erstes kamen die Gauner
und Glücksritter und haben die Leute mal richtig
abgezockt... War doch so, oder??"
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3) Soziale Vergünstigungen
aus der Frankenzeit wurden gekürzt, Abgaben
erhöht.
Ab 1947 war im Saarland die Organisation
des Tarif- und Lohnrechts sowie der Sozialversicherung
dem französischen
System sehr eng
angeglichen worden. Auf Grund dessen hatten hier zwölf
Jahre lang bessere Bedingungen für die arbeitende
Bevölkerung geherrscht als in der Bundesrepublik.
Nach der wirtschaftlichen Angliederung am Tag X wurden
aber im Saarland die bundesdeutschen
Sozialgesetze
angewandt, und die Lohnabzüge und Lohnzulagen wurden
- fast ausschließlich zum Nachteil der Arbeitnehmer
- dementsprechend angepasst.
Die Heimatbundparteien hatten unter der Führung des DPS-Vorsitzenden
Dr. Heinrich Schneider zwar während des Wahlkampfs
zur Volksabstimmung in Aussicht gestellt, dass nach
dem wirtschaftlichen Anschluss an die BRD alle im Saarland
bestehenden Sozialleistungen beibehalten würden.
Auch in den Rückgliederungsverhandlungen hatten
sie dies unter dem Stichwort "Wahrung des sozialen Besitzstandes"
vehement eingefordert.
Aber sie konnten ihr Wort nicht halten: Die Bundesregierung
lehnte alle diesbezüglichen Zugeständnisse
ab, unter anderem weil sie befürchtete, dass sich
dadurch die Integrierung des neuen Bundeslandes in die
Ländergemeinschaft verzögern würde.
Dadurch fielen nach der wirtschaftlichen
Rückgliederung viele großzügige Vergünstigungen
des bisherigen Saarstaats entweder ganz weg oder wurden
mehr oder weniger stark gekürzt.
Im Einzelnen gab es folgende
einschneidende
Veränderungen:
Das bisherige Familienzulagesystem
wurde abgeschafft. Dieses hatte den verheirateten
Arbeitnehmern folgende monatliche Zulagen gewährt:
Frauenzulage (2000 frs.), Kindergeld schon für das
erste (2.300 frs.) und zweite Kind (3.700
Frs). Diese Familienzulagen erhielten auch
die Rentenempfänger und Arbeitslosen,
und an Weihnachten wurden sie sogar verdoppelt
bzw. verdreifacht. Aber nach dem Tag X fielen
sie vollständig weg.
Folgende Lohnabzüge
wurden angehoben: Der Arbeitnehmeranteil am Krankenversicherungsbeitrag
stieg
für Arbeiter von 3,5 auf 4,5%; für
Angestellte von 2,5 auf 3,1%. Die Beiträge
zur Rentenversicherung kletterten von 5,5 auf 7%, und
die Arbeitslosenversicherung stieg um 1% an.
Die Kirchensteuer
stieg
von 8 auf 10%.
Diese Informationen
und die Tabelle stammen aus einem Flugblatt der DFU, herausgegeben
Ende 1960 von Richard Kirn, der unter JoHo Arbeitsminister war. Die Richtigkeit
der Angaben konnten wir nicht überprüfen.
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Insgesamt bedeutete die Anpassung
der Lohnzulagen und der Lohnabzüge an die bundesdeutschen
Lohnbelastungen eine durchschnittliche Verschlechterung
für die Arbeitnehmer an der Saar von 10 bis 15
Prozent.
Nach den Infos des erwähnten
Flugblatts gab es noch weitere Nachteile: Die Dauer
der Lohnfortzahlung
im Krankheitsfall
wurde stark gekürzt. Die Invaliden- und Angestelltenrenten sanken um ca. 30% und wurden
nun nicht mehr schon im Alter von 60 Jahren gewährt. Die bisherige Schlechtwetterregelung der Bauwirtschaft (60% des Lohns
plus Familienzulagen) wurde ersatzlos gestrichen.
H. Dietz berichtet: Mein Vater arbeitete auf der Grube König. Er ist schon vor etwa 23 Jahren verstorben. Ich erinnere mich aber noch gut an einen Ausspruch von ihm: "Vorher riefen sie JoHo! und jetzt oho!" Damit meinte er den Blick in die Lohntüte
nach dem Tag X. Meine Eltern hatten 1949/50 ein Haus gebaut. Nach dem Anschluss hatten sie es nicht einfach mit dem Abbezahlen der Schulden. Letztlich ist es ihnen mit viel Mühe gelungen.
i) Proteste, Streiks
und Demonstrationen
So führten also die zahlreichen
Preiserhöhungen in Verbindung mit der durch Kreditaufnahmen
entstandenen Schuldenbelastung und der Kürzung
der sozialen Leistungen dazu, dass es den Saarländern nach dem Tag X finanziell
wesentlich schlechter ging als vorher. Nach der Euphorie über
den endlich vollzogenen vollständigen Anschluss
an die Bundesrepublik folgte für viele eine gewisse
Ernüchterung.

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Für viele Familien
war es jedenfalls plötzlich sehr "eng"
geworden. Zur Veranschaulichung ihrer finanziellen
Schlechterstellung sagten die Saarländer
nach dem Tag X zum Beispiel:
"Vor der Rückgliederung hatten wir
Butter auf der Fensterbank,
jetzt gibt es [im neu angeschafften deutschen] Kühlschrank
nur noch Margarine."
Vielerorts protestierten die Saarländer gegen
die nicht erwarteten Verschlechterungen. Schon
kurz nach dem Tag X hielt z.B. die
DPS eine Protestkundgebung mit ihrem Vorsitzenden
Dr. Heinrich Schneider in der Wartburg ab
(
siehe Foto links - von Gerd Schulthess).
Am 9. Juli 1959 gab
es einen landesweiten einstündigen
Proteststreik
gegen
die Erhöhung der Preise. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) betonte in einer scharfen Stellungnahme,
dass sich die empörten Klagen über
die Versuche von Dienstleistungsunternehmen
und Geschäften häuften, die Frankenpreise
einfach mit dem ungerechtfertigten Kurs
von 1 : 100 umzustellen, statt die nach
der wirtschaftlichen Eingliederung in Kraft
getretenen Vergünstigungen an die Verbraucher
weiterzugeben. |
Auch das Präsidium des Landesverbandes
des saarländischen Einzelhandels richtete einen
Appell zur Preisdisziplin an die Einzelhändler. Die
Eisenbahngewerkschaft schaltete sich ebenfalls ein
und protestierte gegen die geplante Einführung
des bundesdeutschen Sozialrechts im Saarland.
Die Studenten
demonstrierten in einem Protestmarsch gegen die hohen Fahrpreise. Ministerpräsident Röder
bezeichnete diese Aktion als "Staffage ostzonaler
Agitatoren" (Deutsche
Saar vom 10. Juli 1959, zitiert nach "Von der Stunde
0...", S. 250). Die folgenden Bilder geben einen Eindruck
von der Entrüstung der Demonstranten. Im Bild unten
links ist Ministerpräsident Röder zu sehen. (Fotos: Gerd
Schulthess, St. Ingbert.)
Blitzbesuch von Ludwig Erhard
Auch der Besuch des Wirtschaftsministers
Ludwig Erhard im Saarland am 13. Juli 1959
brachte keine Änderung. Bundeskanzler
Adenauer hatte ihn etwa eine Woche nach
dem Tag X zu einem Blitzbesuch in das neue
Bundesland geschickt. Er sollte sich ein
Bild von den Problemen der Saarländer
machen und versuchen, die Gemüter zu
beruhigen. Auf einem Gang durch die Straßen
von Saarbrücken schaute er sich Marktstände,
Läden und ihre Auslagen an. Am Ende
seines Besuches ließ er verlauten,
dass ihm an den Preisen nichts Besonderes
aufgefallen sei. Kein Wunder, entsprachen
sie doch etwa denen in der übrigen
BRD. Dass sie teilweise viel höher
waren als zur Frankenzeit, konnte er nicht
erkennen.
Diese drei Fotos
(von Walter Barbian) zeigen den Bundeswirtschaftsminister
Ludwig Erhard bei seinem Besuch im Saarland
am 13. Juli 1959; im Bild unten am Saarbrücker
Hauptbahnhof.
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Am 4. November 1959 veranstaltete die
Gewerkschaft ÖTV eine Protestkundgebung, in der sie einen
Lohnausgleich für die durch die Währungsreform
bei der wirtschaftlichen Rückgliederung
entstandenen Einkommensverluste forderte.
Auf einem der dabei durch die Stadt getragenen
Transparente war zu lesen:
Im
Saarland herrscht soziale Not,
die
Bonner nehmen uns das Brot.
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Aber alle Proteste
konnten nichts an der Situation ändern,
und viele Saarländer trauerten nun der Frankenzeit
nach,
weil es den meisten nach der Währungsumstellung
wirtschaftlich ein gutes Stück schlechter
ging als vorher. |
j) Folgen der Rückgliederung
für die Saarwirtschaft
Als Konsequenz der wirtschaftlichen
Schwierigkeiten und des härter gewordenen Wettbewerbs
mussten viele kleinere und mittelständische Firmen
im Saarland ihren Betrieb
einstellen und
Konkurs anmelden. Die großen etablierten bundesdeutschen
Firmen hatten den saarländischen Markt dermaßen
überschwemmt, dass die Nachfrage nach saarländischen
Produkten erheblich nachließ und viele einheimische
Betriebe sich nicht gegen die riesige Konkurrenz behaupten konnten.
Es gab allerdings auch Übergangshilfen und zinsgünstige
Kredite, die
einigen Unternehmen dabei halfen, auf dem bundesdeutschen
Markt Fuß zu fassen. Andere Firmen hatten schon
rechtzeitig vor dem Tag X vorgesorgt und den Schwerpunkt
ihrer Geschäftsbeziehungen nach Frankreich verlegt. Zum Beispiel hatte die Firma
MEISTERFUNK, die in Saarbrücken Rundfunkgeräte
herstellte und erfolgreich im Saarland (und auch nach
Frankreich) verkaufte, ihre gesamte Produktionsstätte
frühzeitig ins Elsass verlegt und auf Telefonanlagenbau
umgestellt. Dies berichtete der Gründer und
Inhaber G. Eisvogel, der heute noch in Saarbrücken
lebt (siehe auch
Seite Radiogeräte).
In den ersten Jahren nach dem
Tag X blieb der Warenaustausch
zwischen dem
Saarland und Frankreich aufgrund der Festlegungen im
Saarvertrag (siehe
1. Abschnitt auf dieser Seite) auf einem bemerkenswert hohen Niveau. Zudem
erfuhr die Bauindustrie eine unerwartete Hochkonjunktur, die auch dem saarländischen
Handwerk zugute
kam.
FAZIT 1
Als erstes Fazit über die Folgen der wirtschaftlichen
Rückgliederung
soll hier die Aussage eines Saarländers zitiert
werden, welche die Saarbrücker Allgemeine Zeitung
am 6. Juli 1960 abdruckte, also ein Jahr nach dem Tag
X:
"So gut, wie man es
uns in Bonn prophezeit hatte, geht es uns nicht - aber
auch nicht so schlecht, wie einige Miesmacher behaupten."
FAZIT 2
Die Saarfrage war nun zwischen Deutschland und Frankreich geklärt worden - zwar in harten Verhandlungen, aber doch insgesamt in gutem Einvernehmen und gegenseitigem Verständnis. Daraus könnte man schließen, dass das Saarland nun doch noch die Funktion
einer Brücke zwischen den beiden Nachbar-Staaten
übernommen hatte. Und so wäre die
Aufgabe, die die JoHo-Regierung der Brücke
in dem Saar-Wappen*) symbolisch zugedacht
hatte, erfüllt worden... wenn auch auf eine etwas andere Art und Weise als ursprünglich von ihr beabsichtigt.
*) Siehe auf unserer Seite Name, Flaggen, Wappen, Siegel, Hymnen im Abschnitt C) unter c)!
Fotonachweis:
Alle Fotos in dem obigen Bericht ohne eigene Quellenangabe hat uns das Stadtarchiv Homburg freundlicherweise zur Verfügung gestellt.
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ANHANG: Bericht über den Großtransport der DM ins Saarland Anfang Juli 1959
Grenzschützer aus Duderstadt bringen D-Mark ins Saarland
Der Großtransport der D-Mark lief unter dem Tarnnamen "Mairegen" und wurde vom Bundesgrenzschutz bewacht. Dieser hatte auf dem Saarbrücker Messegelände mit 500 Mann Quartier bezogen.
An ein historisches Ereignis vor 50 Jahren erinnern sich ehemalige Beamte
des Bundesgrenzschutzes in Duderstadt. Bei der „Aktion Mairegen“, dem Geldtransport
zur Währungsumstellung im Saarland, waren sie eingesetzt. Heinz Hobrecht sprach
mit den Zeitzeugen.
Eduard
Monzen, Manfred Kühn und Gerhard Schröer erinnern sich noch sehr genau an diese Zeit. Mit weiteren Beamten der Bundesgrenz- schutzabteilung
Duderstadt, damals noch der Abteilung Clausthal-Zellerfeld unterstellt, waren
sie in der Zeit vom 5. bis 13. Juli 1959 bei diesem Geldtransport aus Anlass der
wirtschaftlichen Eingliederung des Saarlandes an die Bundesrepublik Deutschland
eingesetzt. Auch Sigismund Jantz und Alfons Panske sind dabei gewesen und haben
dieses Stück europäischer Geschichte hautnah miterlebt.
Der
Bundesgrenzschutz, so schildern die Beamten im Ruhestand, hat damals mit 64
Lastwagen 578 Millionen Mark in das Saarland transportiert. Die Geldtransporte
wurden von Hubschraubern, Bereitschaftspolizei und BGS-Beamten gesichert. Aus
der Abteilung GSA II/4 Clausthal-Zellerfeld waren insgesamt zirka 20 Beamte
dabei, fünf aus der 7. Hundertschaft in Duderstadt.
Ebenso wie in vielen anderen BGS-Abteilungen sei damals im Standort Duderstadt vorab nur
von einer „Sternfahrt“ die Rede gewesen, berichten Monzen, Kühn und Schröer.
„Keiner von uns wusste, was auf uns zukommen würde.“
Unter
Führung des Leutnants Günter Czerwinski wurden die Kräfte mit fünf
Lastkraftwagen des Typs Magirus sowie einem Rover in Marsch gesetzt. Gegen 14
Uhr trafen sie im hessischen Alsfeld ein. Auf der Straße Alsfeld-Grünberg,
unweit der Bundesautobahnauffahrt Alsfeld-Pfefferhöhe, trafen sich alle
Einsatzkräfte des Grenzschutzkommandos Mitte mit insgesamt 24
Magirus-Lastwagen. Die Worte des Kommandeurs des Grenzschutz- Kommandos Mitte bei
der Begrüßung klingen Monzen, Kühn und Schröer noch sinngemäß in den Ohren:
„Ihr seid die auserwählten Kräfte der Abteilung. Ihr seid die Garanten dieser
Sternfahrt, die in die Geschichte des BGS eingehen wird.“ Erst hier, so die
Beamten, sei der wahre Grund für den Einsatz Geldtransport ins Saarland bekannt
gegeben worden.
Auftrag und
Marschziel für die Beamten in den Lastwagen 7a, 7b und 7c war Kaiserslautern.
Gegen 22 Uhr trafen sie dort ein – auf einem Festplatz nahe der
Landeszentralbank. Ab 2 Uhr am Morgen des 6. Juli, so berichten die
Ruheständler, hat das Beladen der Fahrzeuge unter strenger Bewachung begonnen.
Neben dem Fahrer und dem Beifahrer mit Maschinenpistole seien jeweils drei
Beamte mit Gewehren dabei gewesen, zusätzlich drei Bankbeamte für die
Verteilung des Geldes.
Erstes Ziel
des Transportes, der unter starker Bewachung von Bereitschaftspolizei des
Landes Rheinland-Pfalz und Hubschraubern erfolgte, war Saarbrücken. Nach der
Ankunft wurden die einzelnen Banken und Sparkassen unter Polizeieskorte mit
Geld beliefert. Oberwachtmeister Monzen war z.B. für zwei Banken und Sparkassen in
Ensdorf und für drei weitere in Schwalbach, Elm und Köllerbach zuständig, wie er
sich erinnert. Zur Aufgabe der Beamten gehörten auch das Abholen der
saarländischen Francs von den Geldinstituten und der Transport zur
Landeszentralbank nach St. Ingbert. „Beim Rücktransport der umgetauschten Francs
hatten wir Milliarden [Franken] auf dem Kraftfahrzeug“, so die Beamten.
(Wiedergabe des Zeitungsartikels und des Fotos mit freundlicher Genehmigung des Göttinger Tageblatts. Den Artikel hat Friedrich Fess entdeckt, dessen persönliche Erinnerungen an seine Kindheit Sie hier lesen können.) - Zu dem Bild oben: Gerhard Schröer, Eduard Monzen und Manfred Kühn im Jahr 2009 mit einer Karte von 1959 (als sie alle etwa 25 Jahre alt waren). Foto: Göttinger Tageblatt
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Zum Abschluss noch eine Geschichte von Gerhard Bungert über die neue Einstellung der Saarländer zum Einkaufen nach dem Tag X:
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Die
Kurzgeschichte „Peperoni und der Tag X“ ist zum ersten Mal erschienen in dem
Buch „Hauptsach es schmeckt – im Saarland, Essen, Trinken und Feiern", herausgegeben
von Gerhard Bungert und Charly Lehnert, mit Zeichnungen von Werner Neumann. Saarbrücken 1987.
Die Wiedergabe der Geschichte erfolgt mit freundlicher Genehmigung ihres Autors.
Näheres über Gerhard Bungert können Sie auf der Seite Über uns nachlesen.
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Literaturangaben zum Thema dieser Seite:
125 Jahre Währungsgeschichte
an der Saar 1859 - 1984. Landeszentralbank im Saarland, 1984
100 Jahre Saar-Bank 1896 -
1996, Chronik. Saarbrücken
1996.
60 Jahre St. Wendeler Volksbank,
Jubiläumsjahr 1988.
Von
der `Stunde 0´ zum `Tag X´. Das Saarland
1945-1959. Saarbrücken 1990.
Das Saarland. Politische,
wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung. Landeszentrale für politische
Bildung, 2. Aufl. 1991.
Saarbrücker Zeitung vom 5.7.59 und vom 7.7.59, Westpfälzische Rundschau v. 4.7.59 sowie andere Tageszeitungen
aus dieser Zeit.
Quelle für den Wortlaut des "Luxemburger Vertrages zur Regelung der Saarfrage" vom 27. Oktober 1956):
http://www.verfassungen.de/de/saar/vertrag56.htm
Diese Seite wurde erstellt am 25.06.2009 und zuletzt bearbeitet am 16.1.2019
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