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Die Marschall-Ney-Schule in Saarbrücken

 

 Le Collège Maréchal Ney à Sarrebruck

 

 (heute: Deutsch-Französisches Gymnasium (DFG) / Lycée Franco-Allemand (LFA)

 

  Text und Gestaltung: Rainer Freyer, unter Mitarbeit zahlreicher Zeitzeugen         

  

  Südfassade und Schulhof der Schule.

                  Südfassade und Schulhof der Schule. (Foto aus: 5 Jahre Bauen an der Saar, Mai 1952, S. 40 [23])                                      

 

 Liebe Maréchal-Ney-Ehemalige: Für Korrekturen und Ergänzungen zu dieser Abhandlung schreiben Sie uns bitte: >Kontakt.

  

  Grâce à François Moisy nous avons aussi une version française de cette page: Vous la trouvez en cliquant ici.

 

Hinweis:  Die Fußnoten (z.B. "[1]") zu den nachfolgenden Texten finden Sie ganz unten am Ende dieser Seite.

Bitte lesen Sie auch unsere zweisprachige Seite mit den Erinnerungen von sechs Ehemaligen des Lycée!

Lisez aussi notre page bilingue avec les Souvenirs: Six écoliers français du Lycée Maréchal Ney!  

 

 

DANKE - MERCI !  Wir danken ganz herzlich allen, die uns bei der Vorbereitung und Erstellung dieses Kapitels unterstützt haben, indem sie wertvolle Informationen, Fotos, Broschüren usw. zur Verfügung gestellt oder auf andere Weise geholfen haben. - Un grand merci à tous ceux et celles qui nous ont aidé à rédiger cette page avec leurs informations, photos etc.

 

Von allen, die dazu beigetragen haben, erwähne ich hier nur einige Mitglieder des Forums "Anciens et potes des écoles françaises de Sarrebruck" (Näheres dazu lesen Sie hier weiter unten am Ende von Abschnitt 2f):

Annemarie Brienne, Anne E. Fagherazzi, Michael Holzhauser, Jean-Gérard Robichez, Dieter Siekmann, François Touret u. a.;

außerdem Hans Bächle (DFG-LFA Saarbrücken), Jean Kind und Rolf Wittenbrock

 

Inhalt  

dieser 

Seite:  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1 a)  Nach dem Krieg wurden im Saarland französische Schulen eingerichtet

 

   b)  Auch saarländische Schüler durften die französischen Schulen besuchen

 

2)  Das Collège Maréchal Ney wurde als einzige französische Schule zu einem Gymnasium ausgebaut

 

2 a)  Tabellarischer Überblick über die Entwicklung des Collège/Lycée Maréchal Ney in Saarbrücken

 

   b)  Gedanken zur Namensgebung des "Collège/Lycée Maréchal Ney"

 

   c)  Entwicklung der Schülerzahlen am Lycée von 1945 bis 1954

 

   d)  Die Geschichte des Collège/Lycée Maréchal Ney von 1945 bis 1956

 

   e)  Die Einweihungsfeier des neuen Schulgebäudes Halbergstraße 112 am 7. November 1949

 

   f)  Der Unterricht am Lycée Maréchal Ney für Franzosen und Saarländer

 

   g)  Warum saarländische Eltern ihre Kinder auf eine französische Schule schickten

 

   h)  Anmerkungen zur Architektur der Schulgebäude in der Halbergstraße

 

   i)  Verschiedenes aus dem Schulalltag

 

       A)  Die Schulleitung 1950   -   B)  Die Krankenstation   -   C)  Künstlerische Bildung   -

       D)  Sport                           -   E)  Klassenfoto 1956     -   F)  Schulball "Saint Charlemagne"

 

3 a)  1957 bis 1961: Schwierige Jahre für das "Lycée" nach dem Nein zum Saarstatut

 

   b)  1961 bis heute: Deutsch-Französisches Gymnasium (DFG) Saarbrücken / Lycée Franco-Allemand (LFA)

 

Anhang:  Organisation der Schullaufbahn an der Marschall-Ney-Schule zwischen 1946 und 1959

 

 

 

 

1a)  Nach dem Krieg wurden im Saarland französische Schulen eingerichtet

 

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs besetzten die Amerikaner für einige Monate das linksrheinische Reichsgebiet einschließlich des Saargebiets (siehe Seite Geschichte). Danach übernahm die Franzosen diesen Teil der amerikanischen Besatzungszone als ihre eigene Zone. Ab 10. Juli 1945 zogen ihre Truppen ins Saargebiet ein. In der Folgezeit traten französische Beamte und Angestellte zahlreiche Posten bei der Militärregierung, der französischen Verwaltung der Saargruben sowie in Industrie und Handel an. Sie brachten natürlich auch ihre Angehörigen mit, und so kamen nach und nach immer mehr französische Familien in unser Land.

 

Ihre schulpflichtigen Kinder mussten nun an ihrem neuen Wohnort unterrichtet werden. Die deutschen Schulen konnten Sie nicht besuchen, weil sie deren Sprache nicht beherrschten. Daher war der Aufbau eines französischen Schulsystems im Saarland dringend erforderlich. Die erste französische Volksschule (école primaire) wurde schon im Oktober 1945 in Saarbrücken eingerichtet, nur fünf Monate nach dem Einzug der französischen Truppen ins Saarland. Am 1. Dezember 1945 erhielt sie den Namen Collège (du) Maréchal Ney. Eine ausführliche Beschreibung dieser Schule und ihrer Entwicklung erfolgt weiter unten im Abschnitt 2d.

 

 

Den meisten französischen Schulen waren auch Kindergärten (écoles maternelles) angegliedert. (Fotos aus [11])

 

Im übrigen Saarland wurden nun zahlreiche weitere französische Volksschulen gegründet. Sie waren ein- bis fünfzügig und umfassten - wie die Primarschulen in Frankreich - die erste (12e) bis fünfte Klasse (7e, die Volksschul-Abschlussklasse). Die Anzahl der Schulen und Schüler stieg im Laufe der Jahre stetig an. Ende 1946 gab es 14 französische Primarschulen im Land, die von insgesamt 652 Schülern besucht wurden [1], 1948 waren es bereits 19 Schulen [2], und 1955  21 Schulen mit zusammen 2.800 Schülern [3].

 

In dieser ersten Zeit kurz nach dem Krieg sahen sich Lehrer wie Schüler äußerst schwierigen Anfangsbedingungen gegenüber. Es fehlte an Brennstoff zum Heizen, aber auch an Lehrbüchern und Schreibmaterialien. Die Schülerzahlen wuchsen rasch an, weil immer mehr Franzosen ins Saarland kamen und damit eine immer größere Zahl von Kindern an die französischen Schulen drängte.

 

 

Liste der französischen Schulen im Saarland, Stand 1954/55 (mit Adressen [3a], falls bekannt):

 

In den Orten, deren Namen im folgenden Absatz unterstrichen sind, hatten die französischen Schulen durchschnittlich jeweils etwa 100 Kinder in 4 bis 5 Klassen. Nur in diesen französischen Schulen durften ab Oktober 1947 auch saarländische Schüler aufgenommen werden (siehe Abschnitt 1b). Die anderen französischen Schulen hatten meist nur eine Klasse, aber in den Schulen St. Arnual und Merzig gab es deren zwei. In den Klassen waren jeweils 10 bis 20 Schüler [4].

 

Dillingen (Neuschloss)*), Dudweiler (Neuhauser Weg 2), Homburg (Untere Allee 71), Merzig (Parkstraße 40), Mettlach, Neunkirchen (Gerichtsstraße 4), Saarbrücken (am Collège Maréchal Ney und in St. Arnual, Saargemünder Straße 95), Saarlouis (Rue du Maréchal Ney 8), St. Ingbert (Kaiserstraße 1), St. Wendel (Balduinstraße 59), Sulzbach (Beethovenstraße 17) und Völklingen (Schubertstraße 2 - danke für die Mitteilung von K. Roth, Völklingen); sie war gleich unterhalb der Heinestraße; heute ist dort die Arbeiterwohlfahrt).

 

Außerdem gab es solche Schulen (hauptsächlich für die Kinder der französischen Zöllner) in den Grenzorten Einöd (Alter Bahnhof), Freisen, Jägersburg (Schulstraße), Nennig, Nohfelden (Schulstraße), Nonnweiler (Hauptstraße), Saarhölzbach, Wadern und Weiskirchen.

 

*) Die Schule in Dillingen ist neben dem unten im Abschnitt 3 beschriebenen DFG Saarbrücken - mit dem sie verbunden ist - die einzige heute noch in Betrieb befindliche französische Schule im Saarland.

 

In Saarbrücken befand sich noch eine weitere französische Grundschule, und zwar in der Feldmannstraße 72: L'École du Cdt. R. Paynel. Das Gebäude hatte einen Schulhof mit einer sehr hohen Überdachung, in dem die Schüler in den Pausen mit Klickern (Saarländisch für Murmeln) spielten und gerne von einer hohen Mauer heruntersprangen. Das Lehrpersonal bestand nur aus Frauen (Mme Marescaux, Mme Caillat, Mme Robiole und die Schulleiterin Mme Bettencourt). Eine Ausnahme war der Deutschlehrer. Er war Saarländer, hatte nur einen Arm (wahrscheinlich durch Kriegseinwirkung) und trug fast immer einen schwarzen Ledermantel. Seinen schwarzen Peugeot 203 steuerte er meisterhaft mit dem einen Arm (nach Erinnerungen von Patrick Bach und zwei weiteren Zeitzeugen).

 

 

1b)  Auch saarländische Schüler durften die französischen Schulen besuchen.

 

Schon am 5. Februar 1946 verfügte das Regierungspräsidium in einem Erlass, dass auch deutsche Schüler berechtigt waren, eine französische Schule im Saargebiet zu besuchen - siehe hier rechts [5]. In einem weiteren Erlass (er war vom 10. April 1946) wurde festgelegt, dass die Eltern saarländischer Schüler, die eine französische Schule besuchen sollten, schriftlich einen Antrag an die in Frage kommende Schule zu richten hatten. Diese sollte daraufhin das Gesuch an die Abteilung Unterricht der Militärregierung zur Genehmigung weiterleiten. Sobald letztere erteilt war, konnte "der saarländische Schüler die saarländische Schule verlassen und zur französischen Schule übergehen". Die Eltern mussten dann nur noch die bisherige Schule über die Genehmigung zum Übertritt informieren [6].

 

In diesem zweiten Erlass wird von "saarländischen Schülern" gesprochen, während in der ersten Verordnung, nur zwei Monate vorher, noch von "Kindern deutscher Staatsangehörigkeit" die Rede war.

 

Auf welche Art die saarländischen Schüler am Unterricht des Lycée Maréchal Ney teilnehmen konnten und welche Reaktionen die Möglichkeit dieses Schulbesuchs außerhalb des "normalen Bildungswegs" im Land hervorrief, können Sie detailliert in den Abschnitten 2f) und 2g) auf dieser Seite nachlesen.

 

 

2)  Das Collège Maréchal Ney wurde als einzige französische Schule zu einem Gymnasium ausgebaut.

 

 

2a)  Tabellarischer Überblick über die Entwicklung des Collège/Lycée Maréchal Ney in Saarbrücken

 

 

(Eine ausführliche Beschreibung der Schule und ihrer Entwicklung erfolgt weiter unten im Abschnitt 2d.)

 

Im Oktober 1945 gründete die französische Militärregierung in Saarbrücken eine französische Ecole primaire (Volksschule) in der Schillerstraße 16. Am 5. Dezember 1945 erhielt sie den Namen Collège Maréchal Ney und wurde bald danach um weitere Räume in der Mainzer Straße, Ecke Am Kieselhumes, erweitert. 

Am 1. August 1947 ist sie in Lycée Maréchal Ney (Marschall-Ney-Gymnasium) umbenannt worden.

 

Am 1. Oktober 1947 wurde die Schule offiziell zu einem Lycée français à l'étranger (französisches Gymnasium im Ausland).

 

Von 1949 bis 1954 erfolgte der Bau der neuen Schulgebäude in der Halbergstraße nach den Plänen des Architekten Lefèvre (siehe weiter unten Abschnitt 2h).

 

Bereits am 7. November 1949 wurde der schon fertiggestellte Teil der Gebäude durch Johannes Hoffmann und Gilbert Grandval eingeweiht (siehe Abschnitt 2e).

 

1953/1954 wurde der vierstöckige Quertrakt errichtet, der ebenfalls von Lefèvre entworfen worden war. Außerdem entstanden auf dem Schulgelände eine große Turnhalle, das neue Knabeninternat sowie ein Wohnhaus für das Verwaltungspersonal.

 

Nach der Ablehnung des Saarstatuts bei der Volksabstimmung am 23. Oktober 1955 war das "Lycée" von der Schließung bedroht.

 

Nach der Angliederung der Saar an die BRD begannen im Sommer 1959 Verhandlungen zwischen Frankreich und dem Saarland über die Bildung einer binationalen Schule.

 

Als Ergebnis der Verhandlungen wurde am 5. September 1961 das Deutsch-Französische Gymnasium Saarbrücken in den Gebäuden des Lycée Maréchal Ney gegründet und am 25. September 1961 offiziell eingeweiht (siehe Abschnitt 3).

 

 

2b)  Gedanken zur Namensgebung des "Collège/Lycée Maréchal Ney"

        (der folgende Text in brauner Farbe ist von Rolf Wittenbrock)

 

Über die Motive für die Namenswahl fehlen genaue Informationen, aber offensichtlich wollte die französische Militärregierung mit dieser Namensgebung an die Epochen guten saarländisch-französischen Einvernehmens erinnern, hatte sich doch der spätere Marschall Ney aus Saarlouis seit 1792 als Offizier in französischen Diensten als getreuer Mitstreiter Napoleons erwiesen und von ihm den Ehrentitel "Brave des braves"erhalten. Dass diese Bezeichnung für die Schule durchaus als programmatischer Ausdruck für die Gestaltung der kulturellen und politischen Beziehungen der Besatzungsmacht zu den Saarländern interpretiert werden kann, wird auch deutlich durch einen weiteren spektakulären Akt, mit dem die Vertreter der französischen Regierung das Gedenken an den als französischen Patrioten hingerichteten Saarländer wiederzubeleben versuchten: auf der Vaubaninsel in Saarlouis wurde dem Marschall ein Denkmal errichtet, das am 19. Mai 1946 vom Oberkommandierenden der französischen Truppen in Deutschland, General Koenig, eingeweiht wurde. Die von der Militärregierung geförderte, kulturpolitisch geschickte Erinnerung an das gute Verhältnis zwischen Saarländern und Franzosen, die sich in der Berufung auf den Marschall Ney besonders wirkungsvoll und überzeugend personalisieren ließ, fand schließlich auch einen Ausdruck in einer ab 1947 gedruckten Briefmarkenserie, auf der u.a. das Marschall-Ney-Denkmal abgebildet wurde. [7]

Michel Ney wurde 1769 in Saarlouis geboren. Sein Geburtshaus in der Altstadt ist leicht zu finden: Es steht in der Bierstraße 13 und beherbergt heute eine

 "Auberge und Restaurant". Eine Inschrift besagt:  "Hier wurde Marschall Ney geboren." - Das Schild  rechts zeigt einige Daten aus seinem Leben.

Fotos: Denkmal oben rechts: aus einer Broschüre der 50er-Jahre; drei Farbfotos unten aus Saarlouis: R. Freyer 2010

 

 

2c)  Entwicklung der Schülerzahlen am Collège (bzw. Lycée) Maréchal Ney von 1945 bis 1954:

 

Schuljahr

Schüler

gesamt

davon

Saarländer

1945

194

(9)

1946/47

382

17

1947/48

602

92

1948/49

736

251

1949/50

985

446

1950/51

1279

645

1951/52

1412

728

        (Foto aus "L'enfant et nous" [8])

 

 

  Im Schuljahr 1952/53 teilte sich die Gesamtschülerzahl von 1620 wie folgt auf:

 

    • 760 Franzosen und 860 Saarländer                                                               

    • 780 Mädchen und 840 Jungen                                                                      

     • 1060 Vor-/Grundschüler ("primaires") und 560 Sekundarschüler ("secondaires")

 • 250 Interne, 270 Schüler mit Verpflegung in der Schulkantine, 1100 Externe 

 

1952/53

1620

860

1953/54

?

700

Die Zahlenangaben weichen in diversen Publikationen z.Teil leicht voneinander ab.

 

 

2d)  Die Geschichte des Collège/Lycée von 1945 bis 1956

 

Diese Darstellung der Geschichte des "Lycée" basiert zum Teil auf der Arbeit von Rolf Wittenbrock, die er 1986 in der Broschüre über das 25-jährige Bestehen des Deutsch-Französischen Gymnasiums veröffentlichte [9]. Leider hat man im Saarland bisher keine Dokumente aus der Verwaltung der Schule und auch keine Schulchronik aufgefunden. Diese lagern möglicherweise verstreut in französischen Archiven. So musste auf die wenigen vorhandenen Akten des Landesarchivs, auf vereinzelte Zeitungsausschnitte und auf das Werk von Heinrich Küppers über die saarländische Bildungspolitik [10] zurückgegriffen werden. Zusätzliche Informationen haben wir einer Broschüre der französischen diplomatischen Mission im Saarland von 1953 über das "Lycée" entnommen [11], sowie einem erst kürzlich wieder entdeckten französischen Zeitschriftenartikel des damaligen Schulleiters M. Bourgeois aus dem Jahr 1953 [12]. Dankenswerterweise wurden uns auch einige Erlebnisberichte und sorgsam aufbewahrte Dokumente von ehemaligen Schülern der Schule zur Verfügung gestellt.

 

Im Abschnitt 2a) haben wir dargelegt, warum es 1945 notwendig wurde, französische Schulen an der Saar einzurichten. Die erste entstand im Oktober 1945 in Saarbrücken zunächst als Volksschule (école primaire). Hierzu benutzte man anfangs Räume der damals noch so genannten Bismarckschule (seit 1956 heißt sie Schillerschule), in der damaligen Schillerstraße (heute Bismarckstraße) 16, zwischen den Einmündungen Rosenstraße und Karlstraße. Gegenüber befand sich die Villa Rexroth (Schillerstraße 13), in der das Regierungspräsidium, die Verwaltungs- kommission und ab 1947 die Saar-Regierung ihren Sitz hatten

(siehe Stadtplanausschnitt hier unten).

Die Kantine der französischen Schule befand sich im Erdgeschoss der Villa Rexroth, wo diejenigen Schüler, die nicht zum Essen nach Hause gingen (sogenannte demi-pensionnaires), bis 1947 ihr Mittagessen einnahmen. Die Schulranzen blieben solange in der Schule liegen. [13] Für einige Klassen wurden auch Räume in dem hinter der Schule gelegenen Gebäude benutzt [14] (Karlstraße 1, heute Saarländisches Künstlerhaus).  (Foto: Jean Kind)

 

Abbildung links:. Auf dem Stadtplanausschnitt ist die Bismarckschule in Grün eingezeichnet. Von Ende 1945 bis Ende 46 waren die unteren Klassen der Schule (9ème, 8ème) in zwei hölzernen Bungalows untergebracht. Diese Baracken waren auf der Wiese der Villa Rexroth aufgebaut (hier ebenfalls in Grün eingezeichnet). (Zeichnung: Jean Kind)

 

Anmerkungen zu Gebäude- und Straßennamen: Es gab bemerkenswerte "Über- kreuz-Umbenennungen" in den 50-er Jahren. Die damalige Schillerstraße heißt seit etwa 1956 Bismarckstraße. Das Schulgebäude trug bis zum Beginn der 50-er Jahre den alten Namen Bismarckschule [15]. Dann wurde es in Schillerschule umbenannt [16]. Siehe dazu auch hier. - Die Schillerschule beherbergt heute eine Instrumentensammlung der schräg gegenüber liegenden Hochschule für Musik (HfM); bis etwa 2007 war dort die Alte Sammlung des Saarland-Mueums.

 

Am 5. Dezember 1945 erhielt die Schule den Namen Collège du Maréchal Ney (später meist ohne "du"). Bald musste man sich nach weiteren Klassenräumen umsehen, und man wurde fündig auf dem riesigen Gelände der ehemaligen Ulanenkasernen zwischen der Mainzer Straße, der Straße Am Kieselhumes und der Halbergstraße. Zunächst wurde dort ein schon instandgesetzter Teil der Kaserne Mainzer Straße, Ecke Am Kieselhumes, benutzt. Die Anschrift lautete Mainzer Straße 136.

 

Foto: So sieht das Gebäude heute aus. Es wird, wie der größte Teil des Ulanen-Geländes, für Diensträume der Polizei verwendet. (Foto: R. Freyer, 2010)

 

Die Bismarckschule hatte aber als Schulraum für die französische Schule noch nicht ausgedient; man benutzte sie noch einige Jahre lang weiter.

 

Zu Beginn wurden nur die Klassenstufen 1 und 2 (nach deutscher Zählweise; französisch: les classes de 11e et de 10e) angeboten. Man sagt, zu Anfang seien dort nur sieben 5- und 6-jährige Kinder unterrichtet worden [17]. Aber schon vom 4. Januar 1946 an besuchten 124 Schüler die beiden Schulhäuser des Collège. Sie verteilten sich nun auf alle Alters- und Klassenstufen, von der 11e (Klasse 1) bis zur Première (Klasse 10) [18]. Saarländische SchülerInnen waren noch nicht zugelassen. In den beiden folgenden Trimestern wurden unter oft schwierigen Bedingungen die notwendigen Aufbauarbeiten in Angriff genommen. Im Oktober 1946 gliederte man dem Collège ein Internat an, das man zunächst für kurze Zeit in den französischen Kasernen in der Hellwigsstraße und danach in der zweiten Ulanen-Kaserne in der Mainzer Straße eingerichtet hatte.

 

Im Oktober 1947 wurde die Schule offiziell in ein Lycée français à l'étranger (französisches Gymnasium im Ausland) umgewandelt [19]. Nun wurden erstmals auch 92 saarländische SchülerInnen zum Besuch der Schule zugelassen (siehe Abschnitt 1b und 2f). Die Gesamtzahl der SchülerInnen stieg so stark an, dass man im Jahr 1947 Klassen mit bis zu 43 Kindern bilden musste. Im Laufe der Zeit wurde der Raum immer knapper, und die Schule bemühte sich zunächst um die Anmietung geeigneter Räume in der Nähe des Standorts an der Mainzer Straße [20]. Schulleiter war in diesen frühen Jahren Pierre Sorand [21].

 

Das Bild zeigt den Gesamtkomplex, wie ihn sich der Archi- tekt Lefèvre bei seiner Planung vorstellte. Die heutigen SchülerInnen des DFG müssten das Bild kennen, denn es hängt seit vielen Jahren im Flur neben dem Rektorzimmer.

(Repro und Bearbeitung; R. Freyer. 2010)

 

Als im französisch-saarländischen Kulturabkommen vom 15. Dezember 1948 eine Garantie für den Bestand und die Entwicklung der französischen Schulen im Saarland festgeschrieben wurde (Artikel 20), eröffneten sich damit auch dem "Lycée" die sicheren Voraussetzungen für eine bedarfsgerechte Erweiterung der Schule.

 

Infolgedessen begann man nun, nach den Plänen des Architekten Lefèvre (siehe Abschnitt 2h) an der gegenüber liegenden Seite des ehemaligen Ulanengeländes, also entlang der Halbergstraße, mehrere neue, große und moderne Gebäude zu errichten, und zwar in drei Tranchen:

1) Zuerst wurde auf einer Länge von 110 Metern ein großes neues Gebäude gebaut, das moderne harmonische Linien aufwies. Das gesamte Gelände umfasste einschließlich des Schulhofs und eines großen Sportgeländes eine Fläche von fast drei Hektar. Im Oktober 1949 zogen alle Volksschulklassen sowie alle Mädchen der Mittelschulklassen und das Mädcheninternat (externat et internat filles) in das neue Hauptgebäude ein.

Im Hauptgebäude wurde auch der Kindergarten (Ecole Maternelle) für drei- und vierjährige französische und saarländische Kinder eingerichtet. Die Klassen trugen die Bezeichnungen M1, M2 und M3. Von 1950 bis 1956 waren als Kindergärtnerinnen eingesetzt: Mme Revert, Mme Sevrin, Mlle Limelette, Mme Mayer und Mme Chossat. (Quelle: Palmarès-Listen dieser Jahre)

Am 7. November 1949 wurde das neue Gebäude in der Halbergstraße feierlich eingeweiht (siehe Abschnitt 2e). Die Jungen der "classes secondaires" blieben zunächst (zum Teil noch bis 1954) in dem Gebäude Ecke Mainzer Straße, und das Internat für die Buben war weiterhin in der Bismarckschule untergebracht.

 

2) In einer zweiten Tranche errichtete man auf dem Gelände ein großes und komfortables Knaben- Internat (Bild links). Es bot 160 Schülern Platz und wurde am 1. Januar 1953 in Betrieb genommen [22].

3) Tranche Nr. 3 umfasste den Bau des vierstöckigen Quertrakts, der im rechten Winkel zum ersten Gebäude an dessen Ostseite angebaut wurde (im Foto rechts). Er war zur Aufnahme des Externats für die Sekundarstufe vorgesehen und wurde 1954 vollendet. (Externat bedeutet Schule für Externe, also Schüler, die nicht im Internat wohnten.)

 

 

Auch er war - wie alle anderen Gebäude - von dem Architekten Pierre Lefèvre entworfen worden.

 

Diese sechs Fotos sind aus [11]

Damit hatte die Schule eine Gesamtkapazität von 2000 Schülern, darunter 300 Internatsbewohner und 300 Halbinterne, also Schüler, die in der Schulkantine verpflegt wurden, aber zu Hause wohnten. (Bourgeois S. 2). Die gesamte Einrichtung umfasste nun einen Kindergarten sowie eine vollständige Primar- und Sekundarstufe. So war sie zu einem "voll ausgebauten französischen Oberreal- Gymnasium mit Internat und angegliedertem Volksschulsystem" geworden [23].

 

Die Internate hatten Foyers mit Spielen, Schall- platten und Radio. Einmal in der Woche konnten die Schüler gemeinsam an einem Theater-, Konzert- oder Kinobesuch teilnehmen oder die Werkstatt für Brandmalerei benutzen. Jeden Monat unternahmen sie einen Ausflug mit Besichtigungen verschiedener Einrichtungen des Landes [24]. Frühere Bewohner der Internate berichteten, dass sie dort sehr wenig Freiheiten hatten und - wie an allen französischen Schulen üblich - einer äußerst strengen Disziplin unterlagen. - Tabelle rechts: Die Internats-Tarife von 1958; z.Bsp. 33.000 Frs. entsprachen damals etwa 300 DM - das war nicht wenig für diese Zeit!

 

     Im Foyer der Mädchen                            Raum mit Waschbecken für die Buben.                  Aufenthaltsraum der Jungen  

 

 

2e)  Die Einweihungsfeier des neuen Schulgebäudes Halbergstraße 112  am 7. November 1949

 

Das neue Gebäude des Marschall-Ney-Gymna-

siums in der Halberg-

straße zu Saarbrücken wurde am Montag, dem 7. November 1949, seiner Bestimmung übergeben. Bei der Feier waren zugegen:

Gilbert Grandval,

Hoher Kommissar, Johannes Hoffmann, Ministerpräsident, >

(Forts. von links): Peter Zimmer, Landtagspräsi- dent und Bürgermeister, Michael Schulien, Päpstlicher Apostolischer Visitator für das Saarland, sowie der Schulleiter des Lycée, M. Bourgeois. Der Kultusminister Emil Straus war mit einer sld.  Delegation auf einer Dienstreise in Paris und wurde durch Oberschulrat Burghardt vertreten.

Die Gäste treffen ein.  Am Schulgebäude weht (oben rechts) die Saarflagge.  Auch das

Saarwappen ist an der Außenwand angebracht. (Alle Fotos der Einweihungsfeier: François Touret)

 

   

  (vermutlich:) Michael Schulien, der   Grandval und Schulleiter Bourgeois           Grandval richtet das Wort an die Gäste. An der Wand

 Apostolische Visitator im Saarland                                                                  hinter ihm die Trikolore (Mitte) und zwei Saar-Fahnen.

 

Die hohe Zahl von Ehrengästen und der Inhalt der Festreden zeigten deutlich die Ziele der französischen Kulturpolitik im Saarland auf und belegten, wie wichtig den Franzosen der politische Bildungsauftrag der Schule war. Grandval führte aus, dass man es als Endziel der engen französisch-saarländischen Zusammenarbeit im Kultur- und Erziehungsbereich betrachte, dadurch im Laufe der Zeit eine bildungspolitische Kooperation der gesamten europäischen Jugend und später der Jugend der ganzen Welt zu erreichen [25].

 

  

Zweiter v. links: Gilbert Grandval, in d. Mitte (im Pelzmantel) Mme Grandval.    Grandval spricht vor einer Schulkasse. Zwei Schülerinnen

                        Weiter rechts sieht man Johannes Hoffmann                           scheinen sich mehr für den Fotografen zu interessieren.

 

Am folgenden Tag war in einem Zeitungsbericht der "Saar-Volksstimme" unter anderem zu lesen:

 

"In den Ansprachen wurde darauf hingewiesen, dass diese französisch-saarländische Schule dazu dienen solle, Saarländer und Franzosen zusammenzuführen. Sie haben ihre Toren auch den saarländischen Kindern geöffnet. Die Jungen und Mädel des Saarlandes, die dort zusammen mit französischen Schulkindern lernen und arbeiten, haben Gelegenheit, sich gegenseitig näherzukommen und sich einander [sic!] zu verstehen.Von den rund 1000 Schülern sind nahezu die Hälfte Saarländer. In dem Mittelpunkt der Feier in dem neuen Gebäude, die durch Liedvorträge der Schüler umrahmt war, stand eine Ansprache des Hohen Kommissars. Darin heißt es u.a.: Die Klassen des französisch-saarländischen Lyzeums füllen französische und saarländische Kinder, die geeint sind durch eine im Schoße der gleichen Gemeinschaft herangewachsene spontane Kameradschaft." [26]

 

          Maxime Bourgeois, proviseur (Schulleiter)     Le Haut Commissaire Grandval en uniforme   Oberschulrat Burghard, später Leiter des Real-

gymnasiums mit humanist. Zweig St. Ingbert  

 

  

  Große Zuhörerschaft in der Aula. In der 1. Reihe hat die Prominenz Platz genommen, dahinter lauschen andächtig Lehrer, Eltern, Schüler.

  Die Aula war mit französischen und saarländischen Fahnen geschmückt.

 

  

Links: Der gemischte Schülerchor trägt ein Lied vor. - Bild rechts: JoHo und Grandval besuchen die Mathematiklehrerin Françoise Neyret beim Unterricht in ihrer Klasse. Ehemalige Schüler erinnern sich heute noch gerne an sie, weil sie eine gute Lehrerin war. Sie verstarb im Januar 2012 in Grenoble im Alter von etwa 88 Jahren. (Mitteilung von Jean Kind)

 


 

 2f)  Der Unterricht am Lycée Maréchal Ney für Franzosen und Saarländer

 

Wie in allen anderen Schulen Frankreichs bestand das Personal des "Lycée" aus Franzosen. Der Unterricht wurde nach dem französischen System der Ganztags- schule erteilt: Er endete täglich um 16:15 Uhr, der Donnerstag war unterrichtsfrei bzw. nachmittags für schulinterne Sportveranstaltungen reserviert. Der Unterricht fand in französischer Sprache statt und folgte den französischen Lehrplänen [27].

 

 

Die Aufnahmeprüfung für die Sixième (Sexta, Eingangsklasse der Sekundarstufe), die Prüfungen für das Certificat d'Études primaires (Volksschulabschluss) und das B.E.P.C. (etwa: Zeugnis der Mittleren Reife) konnten die Schüler in Saarbrücken ablegen. Für den schriftlichen Teil der Abiturprüfung (Baccalauréat) mussten sie aber zum Lycée Pange nach Saargemünd und für das "Mündliche" nach Strasbourg reisen. Auch die Korrekturen erfolgten, wie in Frankreich üblich, nicht an der eigenen Schule.

 

 

Wie im Abschnitt 1b bereits erwähnt, wurden zum Besuch des "Lycée" auch saarländische Schüler zugelassen (warum die Eltern ihre Kinder dort gerne anmeldeten, lesen Sie im Abschnitt 2g.) Dabei war es unerheblich, ob diese vorher schon Französisch gelernt hatten oder nicht.

 Saarländer mit keinen oder geringen Französischkenntnissen wurden in Parallelklassen zu den rein französischen Klassen aufgenommen ("6e, 5e et 4e sarroises" - Sexta, Quinta und Quarta für saarländische Schüler). Auch in diesen sogenannten Spezialklassen fand der Unterricht vom ersten Schultag an in französischer Sprache statt, allerdings mit Lehrern, die gute deutsche Sprachkenntnisse hatten. Nur der Deutsch- und Heimatkundeunterricht wurde in Deutsch gegeben. Um ihre Lücken in Französisch auffüllen zu können, erhielten die Saarländer zusätzlich 10 bis 12 Stunden Französischunterricht pro Woche. Dabei wurde von Anfang nach der méthode directe gearbeitet, das heißt, ausschließlich in der Fremdsprache gesprochen. Die Wochenstundenzahl in Geschichte, Erdkunde und Naturwissenschaft wurde dafür entsprechend reduziert [28]. Sobald die Französisch- Kenntnisse der Saarländer es zuließen, wechselten diese in eine ihrem Alter entsprechende rein französische Klasse. Das konnte schon nach einem Jahr geschehen, den meisten gelang es nach zwei, manchen erst nach drei Jahren. Die wenigen, die den Anschluss in Französisch überhaupt nicht schafften, mussten die Schule verlassen.

 

Dass die meisten Schüler aus dem Saarland den Schulabschluss trotz der hohen Anstrengungen erreichten, die sie dafür erbringen mussten, ist ihnen hoch anzurechnen. Mit eisernem Willen, vielleicht auch unter dem Druck ihrer Eltern und aufgrund der von der Schule geforderten strengen Disziplin gelang es vielen von ihnen, die Schule mit Erfolg abzuschließen. Sie mussten möglicherweise härter kämpfen als ihre Kameraden, welche saarländische Schulen besuchten. Aber auch die Lehrer leisteten ihren Beitrag dazu, sie arbeiteten meistens ohne Bücher und mussten das Unterrichtsmaterial selbstständig gestalten. Den erfolgreichen Schülern kamen im späteren Leben ihre umfassende Bildung und die zumeist vollkommene Zweisprachigkeit zugute.

 

Dasselbe gilt natürlich auch für die französischen Schüler des "Lycée", mit einer kleinen Einschränkung: Sie erhielten ja nicht, wie ihre saarländischen Mitschüler, Intensivkurse in der anderen Sprache, sondern nur vier Wochenstunden Deutschunterricht, der etwa demjenigen entsprach, den auch ihre Kameraden in Frankreich erhielten. Aus diesem Grund erreichten sie eine perfekte Zweisprachigkeit nicht so häufig wie die saarländischen Schüler. Dass dies vielen von ihnen trotzdem gelang, war der Tatsache zu verdanken, dass entweder ihre Eltern beiden Nationalitäten angehörten, oder dass sie häufig auch nach der Schule mit deutschen Kindern zusammen waren, z.B. zum Spielen auf der Straße.

 

Das "Lycée" war aber nicht, wie das spätere (und heutige) DFG, eine echte "Begegnungsschule der deutsch-französischen Verständigung" mit Unterricht sowohl in deutscher als auch in französischer Sprache (siehe Abschnitt 3). Es war vielmehr eine rein französische Schule, in die auch saarländische Schüler aufgenommen und mit Hilfe von Französisch-Förderkursen integriert wurden.

Bei der Einweihungsfeier 1949 ist erstmals die Bezeichnung "Lycée français-sarrois Maréchal Ney" erwähnt worden. Sie konnte sich aber nicht durchsetzen und wurde danach nie wieder offiziell verwendet. Dies kann man als Beleg dafür betrachten, dass sowohl die Schulleitung als auch die Lehrerschaft damals nicht genug hinter der Idee einer Umgestaltung ihrer französischen Schule zu einer echten bikulturellen Begegnungsschule standen [29].

 

Dessen ungeachtet entwickelten sich zwischen den französischen Schülern und ihren saarländischen Klassenkameraden häufig sehr enge Freundschaften, die bis lange nach der Schulzeit andauerten und zum Teil heute noch gepflegt werden. Einige von ihnen beteiligen sich zum Beispiel regelmäßig an einem Internetforum, das Annemarie Brienne gegründet hat: "Anciens et potes des écoles françaises de Sarrebruck" ["Ehemalige und Freunde der französischen Schulen Saarbrückens)"] (http://potesdesarrebruck.xooit.fr). Ehemalige tauschen dort Erinnerungen an ihre frühere Schulzeit aus. Das Forum ist aber nur für angemeldete Teilnehmer zugänglich; Voraussetzung ist, dass man zwischen 1944 und 1955 geboren ist und Schüler einer französischen Schule an der Saar war. - Es besteht auch eine "Vereinigung der ehemaligen Schüler und Lehrer des Deutsch-Französischen Gymnasiums e.V.", deren Vorstand François Touret, Eva-Maria Dorscheid und Anne E. Fagherazzi bilden.

 

Die Bilder in diesem Abschnitt: aus den Gebäuden Halbergstraße: Ein Arbeitsraum für praktische Arbeiten - die Küche - ein Speiseraum

(Fotos aus der Broschüre [11])


 

2g) Warum saarländische Eltern ihre Kinder auf eine französische Schule schickten

 

Hierzu kann man verschiedene Vermutungen anstellen. Das "Lycée" bot einige Vorzüge, die die anderen Schulen des Landes nicht aufweisen konnten:

 

- Ganztägigen Unterrichtsbetrieb mit Nachmittagsbetreuung

- Verbleib der Kinder an derselben Schule vom Kindergarten bis zum Abitur ohne Wechsel der Anstalt

- Intensives gleichzeitiges Erlernen zweier Sprachen und Unterricht in französischer Sprache spätestens ab der Tertia in allen Fächern,

  wodurch eine solide Zweisprachigkeit erreicht wurde

- Ein Abitur, das ohne Zusatzqualifikationen zum Studium an der saarländischen Universität und an französischen sowie deutschen

  Universitäten berechtigte

 

Folgende Tatsache dürfte für manche Eltern das Motiv für die Auswahl des "Lycée" als Schule für ihre Kinder gewesen sein:

 

Das Bildungswesen im teilautonomen Saarstaat war gemäß seiner Verfassung konfessionell geprägt. Das französische System war aber traditionell laizistisch ausgerichtet. Ihm war auch das "Lycée" im Saarland unterworfen. Dies bedeutete, dass dort zwar ebenfalls Religionsunterricht erteilt wurde, aber wesentlich weniger konsequent als an den rein saarländischen Schulen. Eine kirchliche Prägung des Lehrprogramms und des Schullebens war am "Lycée" nicht gegeben.

 

Während der saarländische Kultusminister Emile Straus (CVP) in den staatlichen Schulen jeglichen dort aufkommenden Säkularisierungs-Bestrebungen entgegentreten musste, konnte er nicht umhin, sie hier zu dulden. Das heißt, er musste die laizistische Ausrichtung der Bildung aufgrund der Einstellung der Franzosen zulassen. Saarländische Eltern, die ihre Kinder der stark religiös geprägten Unterrichtsgestaltung der Schulen in ihrem Land entziehen wollten (die Volksschulen waren ja sogar reine Bekenntnisschulen), fanden daher in der Anmeldung zu einer französischen Schule den einzigen legalen Ausweg.

 

Dies rief heftigen Protest weiter Kreise hervor, vor allem im kirchlichen Umfeld. Denn es widersprach eindeutig dem in der saarländischen Verfassung festgeschriebenen Prinzip der Konfessionsschule [siehe dazu auf unserer Seite Schule unter C) Religionsunterricht!]. Ein großer Teil der katholischen Lehrerschaft im Saarland lehnte daher das "Lycée" kategorisch ab. Die Behörden befanden sich in einer Art Zwickmühle: Einerseits war das konfessionelle Prinzip der Schulen in der Verfassung festgeschrieben, andererseits sollte, auch nach außen, die enge Verknüpfung des Saarlands mit Frankreich demonstriert werden; dafür schien der gemeinsame Besuch der französischen Schulen durch Franzosen und Saarländer ein geeignetes Mittel zu sein. [30] - (Siehe hierzu auch die weitere Entwicklung der Schule nach der Volksbefragung von 1955: weiter unten in Abschnitt 3a).

 

Der Anteil der saarländischen Schüler, die auf diese Weise außerhalb der Bekenntnisschulen erzogen wurden, war übrigens recht gering. Nur etwa 1 % der Schüler waren im Saarland an einer französischen Schule angemeldet [31].

 

Einen weiteren Grund für bestimmte Eltern, ihre Kinder auf das "Lycée" zu schicken, führte der Vorsitzende der Synagogengemeinde Saar Richard Bermann an: "Alle jüdischen Kinder gingen in diese Schule, um sicher zu sein, nicht von ehemaligen Nazilehrern unterrichtet zu werden." [31a]

 


 

2h)  Anmerkungen zur Architektur der Schulgebäude in der Halbergstraße

 

In Memotransfront berichtet Rolf Wittenbrock, dass eine Architektengruppe um Georges-Henri Pingusson (1894 - 1978) bereits 1945 von der Abteilung Städtebau und Wiederaufbau der Militärregierung (Section Urbanisme et Reconstruction) den Auftrag erhalten hatte, den Wiederaufbau der zerstörten Städte im Saarland zu planen. Zusammen mit einigen anderen Architekten bildete er die "Equipe des Urbanistes de la Sarre" ("Urbanisten-Team"). So entstanden u.a. die Pläne für die Wohnblöcke des Bruchwiesenviertels (Entwurf Marcel Roux). Pingusson, ein Schüler des berühmten Architekten Le Corbusier, entwarf später auch das große Botschaftsgebäude am Saarufer, später Kultusministerium. Es war das einzige seiner eigenen Saarbrücker Projekte, das verwirklicht wurde. [32] (Heute ist es wegen massiver statischer und energetischer Probleme sanierungsbedürftig; das Kultusministerium ist bereits 2014 ausgezogen.)

 

Eine weitere Aufgabe für die Urbanistengruppe war die Planung des neuen Gebäudes für das Lycée Maréchal Ney. Es wurde 1949 auf dem Gelände der ehemaligen Uhlanen-Kaserne zwischen Halbergstraße und Mainzer Straße errichtet. Die Pläne hatte der aus Marseille stammende Pierre Lefèvre [33] erstellt. Auch für den 1953/54 errichteten vierstöckigen Quertrakt des "Lycée", welcher rechts auf dem Foto (vom Landesarchiv Saarbrücken) zu sehen ist, hat Lefèvre die Pläne entworfen. Außerdem entstanden 1954 auf dem Schulgelände eine große Turnhalle, ein Internat sowie ein Wohnaus für das Verwaltungspersonal.  

 

Im Kunstlexikon Saar führt die Autorin Oranna Dimmig aus:

 

"Ganz in der Nähe des Bruchwiesen-Viertels wurde ein weiteres Projekt des Urbanisten-Teams verwirklicht. In der Halbergstraße steht der von Pierre Lefèvre entworfene Neubau des "Lycée Maréchal-Ney". (...) Wie die Wohnblöcke von Marcel Roux ist auch dieses Gebäude nach Süden orientiert, d. h. die Eingangsseite und die mit kleineren Fenster versehenen Neben- und Funktionsräume liegen an der Nordseite, die großzügig durchfensterten Haupträume an der Südseite. Gemeinsames Merkmal sind zudem die deutlich vorspringenden horizontalen und vertikalen Bänder, die den ansonsten funktional-nüchternen Fassaden ein gliederndes Relief geben." [34]

 

Rolf Wittenbrock beschreibt die neuen Gebäude wie folgt:

 

"Zwischen den beiden unterschiedlich hohen, rhythmisch gegliederten Gebäudetrakten entlang der Halbergstraße liegt im Eingangsbereich der Schule ein Mitteltrakt für die Verwaltung. Der später entstandene östliche Querbau mit vier Stockwerken bildet in seinem Bauvolumen einen Kontrapunkt zu den älteren Bauteilen, die nur zwei- bzw. dreistöckig sind. Allerdings sind alle Bauteile durch eine homogene Fassadengestaltung und die Flachdachkonstruktion zu einer Einheit verschmolzen. Charakteristisch für das Gestaltungskonzept sind die großen Fensterflächen der nach Süden, Osten und Westen exponierten Klassensäle, die – in zur Entstehungszeit bahnbrechender Weise – den Zutritt von Licht und Luft ermöglichten und damit den Maximen der architektonischen Moderne Rechnung trugen. Dementsprechend sind die übrigen Bauteile der Fassaden, die Rippen, Riegel und Stützen, sehr schlank ausgebildet. Die einerseits strenge geometrische Symmetrie, die andererseits Klarheit und Leichtigkeit ausstrahlende Fassadenausbildung wurde dadurch ermöglicht, daß die gesamte Fassade 1949 vor Ort gegossen wurde. In den Jahren 1988–1989 wurden die Gebäude grundlegend saniert. Mehr als die Hälfte des gesamten Schulareals wurde dem benachbarten Innenministerium übereignet. Mehrere Teilgebäude wurden abgerissen, darunter zwei schuleigene Hallen und Räume für den Sportunterricht. Die Bauschäden an den Fassaden wurden beseitigt, und die Innenräume erhielten einen veränderten Zuschnitt. (...) "

 

"Das Deutsch-Französische Gymnasium war nicht nur der erste saarländische Neubau einer Schule nach dem Krieg, sondern auch einer der ersten Stahlbetonbauten im Land. Aus der Sicht des Denkmalschutzes gilt das Gebäude als «Inkunabel französischer Baukunst aus den 40er Jahren» und Paradebeispiel funktionalistischer Sachlichkeit auf saarländischem Boden. Schon seit einigen Jahren gehört es zu den Kulturdenkmälern unseres Landes." [35]



2i)  Verschiedenes aus dem Schulalltag

 

A) Die Schulleitung 1950

 

Stehend, v.l.n.r.:

M. Chavanne (Verwalter),

M. Chossat (Leiter der Grundschule),

M. Carnaud (censeur* Jungen)

* censeur: stellvertretende(r) Direktor(in)

 

Sitzend, v.l.n.r.:

Mlle Souillac, censeur filles,

M. Pellier, Verwaltungsdirektor

M. Bourgeois, Schulleiter

M. Simonin, censeur garçons,

Mme Simonin, censeur filles

(Foto: Evelyne Lachmann)

 B) Die Krankenstation

 

Im Lycee gab es auch eine Infirmerie (Krankenstation), die ständig besetzt war und den Schülern eine Wundversorgung bot, wenn sie auf dem Pausenhof oder beim Sport ausgerutscht oder gestürzt waren und sich ein offenes Knie zugezogen hatten. Dies geschah recht häufig, denn die rote Brasche war sehr rutschig und scharfkantig. Außerdem wurden alle Schüler zweimal im Jahr durchleuchtet (siehe Bild oben!) und körperlich untersucht. Mit Hilfe der dabei durchgeführten Blut- und Urinuntersuchungen konnte so manche Krankheit der Nachkriegskinder im Frühstadium erkannt werden, was für jene Zeit sicher sehr wichtig war. [Mitteilung von Erhard Curette]]

 

Foto: Röntgenuntersuchung (aus der Broschüre [11])

C) Künstlerische Bildung am "Lycée" (von Pierre André, Übersetzung R. Freyer)

 

Die Schüler des Lycée genossen eine sehr gute Allgemeinbildung, aber auch der künstlerische Aspekt ihrer Bildung wurde nicht vernachlässigt. Zwei Französischlehrer, M. Rodier und M. Tocanne hatten einen "Symphonischen Zirkel" gegründet. Sie stellten uns in regelmäßigen Abständen einen klassischen Komponisten vor und sprachen über sein Leben und sein Werk. Dann wählten sie eines seiner Werke aus und erklärten es uns. Schließlich hörten wir es uns an. So habe ich gelernt, die klassische Musik zu lieben. Es sind aber auch bekannte Künstler zu uns in die Schule gekommen: Lily Laskine (berühmte Harfenspielerin), das saarländische Kammerorchester. Wir sind auch zum Rathaus gegangen, um Samson François zu hören, einen großen Chopin-Interpreten. Wenn das "Centre dramatique de l'est" im Stadttheater spielte, haben wir es uns dort angesehen. Wir konnten auch Aufführungen des Schulchores besuchen oder Theaterstücke, die von Schülern der Schule aufgeführt wurden. Auf diese Weise wurden auch die musischen Künste nicht vernachlässigt.

D) Auch der Sport kam am "Lycée" nicht zu kurz

 

Es wurden Fußball, Basketball, Volleyball, Leichtathletik, Tennis und Schwimmen angeboten. Die Schule nahm auch manchmal an Sport- wettbewerben teil. Anfang der 50-er Jahre hielt sie den Frankreichrekord für Jugendliche im 50-Meter-Rückenschwimmen der Kategorie "minimes"(etwa B-Jugend) inne [30].

 

 


 

 


 

 

 

 

 

Die Bilder oben rechts zeigen

 

a) Mädchen, die auf dem Hof Volleyball spielen,

 

b) Jungen beim Basketballspiel: Welche Mannschaft hat wohl gerade einen Punkt bekommen?

Die beiden Fotos sind aus [11]

 

Die beiden Bilder auf der linken Seite zeigen die Basketball-Jungenmannschaft aus der "seconde". Sie spielte 1954 gegen das Lycée Nice (Gymnasium von Nizza).

Sportlehrer war M. Vergé.


Fotos: Jean-Pierre Caylus

 

Im November 1954 spielte die Fußballmannschaft des Lycée Maréchal Ney gegen das Gymnasium Forbach auf dem kleinen Spielfeld des Kieselhumes. Leider verloren die Saarbrücker mit 0:5.

(stehend, v.l.n.r.): Le capitaine de l'équipe de Forbach (Kapitän der Forbacher) - Jacky Chavanne - Raymond Müller - Roger Jaquet - Roger Kahn (gardien de but - Tormann) - Gottfried Hilgert - Jürgen Muhlke

(Hockend): Jacques Marx - Gérard Menu - Roger Dornier - Norbert Cottong - Roger Cahn [die Namensähnlichkeit mit dem Tormann war Zufall!]

 

 

    E)  Ein Klassenfoto aus dem Jahr 1956

 

Die Klasse "Mathématiques élémentaires" von 1956 war erst 1955 in das Gebäude Halbergstraße umgezogen. Vorne in der Mitte: Klassenlehrer Albert Neyret. Am letzten Schultag porträtierte Jean Kind (2. Reihe, ganz links) seinen Lehrer, dieser nahm ihm das Blatt ab und steckte es ein. Nach 53 Jahren (2009) zeigte er es beim Klassentreffen seinen erstaunten Ex-Schülern. Jean Kind fotografierte es (er ist in der Zeichnung links porträtiert).

 


F)  Impressionen vom Schulball "Saint Charlemagne"

 

November 1955, im Festsaal des Lycée Halbergstraße

 

Karl der Große (frz. Charlemagne, 748 - 814) ist in Frankreich der Schutzpatron der "Schüler mit guten Leistungen". An seinem Todestag, dem 28. Januar, wurde deshalb seit dem 15. Jahrhundert an der Pariser Sorbonne "la Saint Charlemagne" gefeiert. Das Lycée Maréchal Ney veranstaltete ab 1955 zu seinen Ehren einen Schulball, den "Bal de la Saint Charlemagne". Der Festsaal war damals dort, wo heute die Ecole Maternelle ist, also gleich beim Eingang der Schule. (Text und Fotos unten: Jean Kind)

Auf den Fotos vom November 1955 sind folgende Lehrer zu sehen (vgl. auch die französischen Bildunterschriften): Mme Neyret (Mathematik, siehe auch letztes Bild in Abschnitt 2e), M. Grossmann (Geschichte, Erdkunde), M. Vergé (Sport), M. Neyret (verdeckt; Mathematik), M. Biwer (Deutsch), M. Vautard (Mathematik), M. Piquemal (Französisch). Schüler(innen): Georges Roussy, Agnès Vedillon.
 

Georges Roussy écoute ce que M. Vautard (maths)
dit à M. Piquemal (français).

M. Vautard danse avec une de ses bonnes élèves:
Agnès Verdillon.
   

M. Grossmann (hist-géo), M. Vergé (éd. physique - Sport),
M. Neyret (maths, caché), M. Vautard (maths., de dos)

Georges Roussy danse avec Mme Neyret.


 

3a)  1957 bis 1961: Schwierige Jahre für das "Lycée" nach dem Nein zum Saarstatut

 

Nachdem die Saarländer in der Volksbefragung vom 23. Oktober 1955 das Saarstatut abgelehnt hatten, zeichnete sich sehr schnell ab, dass das Saarland wieder an Deutschland angegliedert werden würde. Dies hatte zur Folge, dass viele Franzosen, die bisher an der Saar tätig waren (z.B. in der Verwaltung, bei der Regierung oder beim Zoll) die Grundlage für ihre Anwesenheit im Land verloren. Die meisten von ihnen verließen deshalb das Saarland.

 

Da die sogenannte "Heimatbund-Regierung" unter Dr. Hubert Ney sich darum bemühte, die bisherigen engen Verbindungen zu Frankreich zurückzufahren, drohte auch dem Lycée die Schließung.

 

Ein ehemaliger Schüler berichtet:

 

Nach der Rückgliederung 1957 kam die Polizei zu meinen Eltern in Neunkirchen. Sie bekamen eine Strafe aufgebrummt: Da sowohl mein Bruder als auch ich das Lycée Maréchal Ney besuchten, waren wir nach Auffassung der Schulbehörde "auf keiner Schule". Unsere Eltern hatten uns "der Schulpflicht entzogen". Erst als meine Mutter (sie war Journalistin) dafür sorgte, daß der Bescheid - mit ironischer Kommentierung - in der FAZ publiziert wurde, ruderte das Saarbrücker Kultusministerium - maulend - zurück. (Michael Holzhauser)

 

Im Sommer 1959 begannen Verhandlungen zwischen Frankreich und dem Saarland über die Bildung einer binationalen Schule. Am 25. September 1961 wurde das Deutsch-Französische Gymnasium gegründet.

 


 

3b) 1961 bis heute: Deutsch-Französisches Gymnasium (DFG) / Lycée Franco-Allemand (LFA) Saarbrücken

 

1961 wurde in den Gebäuden des Marschall-Ney-Gymnasiums als dessen Nachfolger am 5. September das Deutsch-Französische Gymnasium (DFG) gegründet. Am 25. September wurde es offiziell eingeweiht. Sein besonderer kulturpolitischer Auftrag besteht darin, als Begegnungsschule der deutsch-französischen Verständigung zu dienen. Seine Schüler(innen) werden im Gebrauch der jeweiligen Partnersprache so intensiv gefördert, dass sie eine angemessene Zweisprachigkeit erreichen und eine umfassende Kenntnis der beiden Nationalsprachen erhalten. Die Schule wird heute von über 1000 Schülern besucht.

 

Auszug von der Webseite des DFG dfg-lfa.org (mit frdl. Genehmigung des DFG):

 

Das Deutsch-Französische Gymnasium Saarbrücken ist eine binationale Begegnungsschule mit mehr als 1000 Schülern und einer pädagogischen Mannschaft von mehr als 90 Erwachsenen, in der

  • Schüler und Lehrer beider Muttersprachen miteinander lernen und arbeiten,

  • sich zwei Schulsysteme und Konzeptionen von Unterricht begegnen, sich gegenseitig bereichern und zu einem dritten Weg entwickeln.  

 

 

 

Was ist unser Ziel?

Schülerinnen und Schüler aus der Region Saar-Lor-Lux sollen fit gemacht werden für Europa, indem sie

  • täglich in binationalen Gruppen lernen und arbeiten,
  • zur Mehrsprachigkeit erzogen werden,
  • Interkulturelle Kompetenz erwerben,
  • vorbereitet werden auf den zweisprachigen Arbeitsmarkt unserer Region.

Dies geschieht durch

  • verstärkten Unterricht in den Partnersprachen im ersten Jahr und deutsch-französischen Lehrertandems im zweiten und dritten Jahr,
  • bilingualen Sachfachunterricht in der Partnersprache mit muttersprachlichen Lehrkräften,
  • früh einsetzenden Englischunterricht im zweiten Jahr,
  • Vermittlung weiterer europäischer Sprachen: Spanisch und Italienisch,
  • integrierte binationale Lerngruppen von Anfang an bis hin zu komplett integrierten deutsch-französischen Klassen ab dem vierten Jahr,
  • passgenaue Angebote für Kinder ohne Kenntnisse in der Partnersprache, für bikulturelle Schüler (Kinder aus deutsch-französischen Familien) und für Kinder mit bereits guter mündlicher Kompetenz in der jeweiligen Partnersprache (z.B. Kinder aus bilingualen Grundschulen),
  • Kooperation mit den Arbeitsagenturen des Saarlandes und Lothringens,
  • Präsentation binationaler Studiengänge im Rahmen der Berufsorientierung,
  • Austauschmaßnahmen und COMENIUS-Projekte,
  • einen binationalen Abschluss, der zur uneingeschränkten Studienberechtigung in beiden Ländern führt: das Deutsch-Französische Abitur. Der komplett integrierte Unterricht in der Sekundarstufe II führt dazu, dass unsere Abiturienten sprachlich in der Lage sind, jedes Fach in der Partnersprache zu studieren.

Wenn Sie mehr Informationen über das heutige DFG wünschen, konsultieren Sie bitte seine Website > dfg-lfa.org oder wenden Sie sich an das Sekretariat der Schule.                                                                                                                                Fotos im Abschnitt 3b): Rainer Freyer, 2010


     Zum Bild unten: Statuette des Maréchal Ney, die Gilbert Grandval dem Leiter des Lycée anlässlich der Einweihung des neuen Gebäudes

     (siehe oben, Abschnitt 2e) als Geschenk überreichte. Foto: Jean Kind

 

Anmerkungen zum Text:

 

[1] Küppers, Heinrich. Bildungspolitik im Saarland 1945 - 1955. Veröffent-      lichungen der Kommission für saarländische Landesgeschichte und      Volksforschung XIV. Saarbrücken 1984. S. 113, Anm. 271

[2] Küppers, ibd. S. 166, Text und Anm. 160a

[3] Wirtschaftliches und kulturelles Handbuch d.Saarlandes. 1955. S. 27

[3a] Adressen aus: Unterricht Erziehung, Band Saarland. Paulus Rehm

       Verlag München, o. D., etwa 1954/55, bzw. von ehem. Schülern

[4] Küppers, ibd. S. 166. Anm. 163

[5] Amtsblatt des Regierungspäsidiums Saar, Nr. 2/1946 vom 28.2.1946

[6] Amtsblatt des Regierungspäsidiums Saar, Nr. 9/1946 vom 28.4.1946

[7] Wittenbrock, Rolf. Vom Collège Maréchal Ney zum Deutsch-Franzö-

     sischen Gymnasium. In: Deutsch-Französisches Gymnasium (Hg.)

     Deutsch-Französisches Gymnasium 1961–1986. Saarbr.1986. S. 17

{8] L'enfant et nous. Revue française et internationale d'information

     culturelle et sociale. No.10. Paris, o.J. [ca.1953]. Ohne Seitenzahlen

[9] Wittenbrock, ibd. S. 17-29

[10] Küppers, Heinrich. Bildungspolitik (siehe Anm. 1.)

[11] Mission Diplomatique Française en Sarre (Hg.). Lycée Maréchal

      Ney Sarrebruck. Saarbrücken, o.J. [1953]

[12] M. Bourgeois. Le lycée français de Sarrebruck. In: L'enfant et nous

      [siehe Anm. 8.] [S. 27f.]
[13]
und [14] Info: Jean Kind
[15] Saarbrücker Adressbuch von 1936

[16]
Saarbrücker Adressbuch ab 1952/53
[17] Wittenbrock, ibd. S.17
[18] und 19] M. Bourgeois, ibd. S. 27
[20] Wittenbrock, ibd. S. 18
[21]
Info: Jean Kind
[22]
M. Bourgeois, ibd. S. 27
[23] Fünf Jahre Bauen an der Saar. Sonderausgabe des "Bau-Anzeiger für das Saarland". Saarbrücken 1952. S. 40
[24] M. Bourgeois, ibd. S. 27
[25] Wittenbrock, ibd. S. 19
[26] "Eine Kulturstätte europäischen Formats. Das neue Gebäude der Maréchal-Ney-Schule seiner Bestimmung übergeben." In: "Saar- Volksstimme" vom 8. November 1949
[27] M. Bourgeois, ibd. [S. 28]
[28] Mission Diplomatique Française en Sarre. Ibd. S. 6 und 7
[29] Wittenbrock, ibd. S. 20
[30] Küppers, ibd. S. 51; Von der Stunde 0 zum Tag X, S. 265.
L'enfant et nous. Revue française, ibd. [S. 28]
[31] Küppers, ibd. S. 166, Anm. 163

[31a] In: Dieter Gräbner. Wer war Hermann Röchling? Conte-Verlag, 2014. S. 144
[32] Wittenbrock, Rolf. Deutsch-Französisches Gymnasium Saarbrücken. In: Memotransfont:
      http://www.memotransfront.uni-saarland.de/dtfrz_gymnasium.shtml
[33] Die Nennung des Vornamens "Michel" in "memotransfront" beruht (wie der Autor auf Nachfrage bestätigte) auf einem Irrtum.
[34] Oranna Dimmig. Die französischen Urbanisten an der Saar 1945 bis 1947. In:
Kunstlexikon Saar: Architektur
       http://www.kunstlexikon-saar.de/architektur/artikel/-/aspekte-die-franzoesischen-urbanisten-an-der-saar-1945-bis-1947/100/  

[35] wie Anm. [32]


 

Quellen und Literaturangaben

 

- Küppers, Heinrich. Bildungspolitik im Saarland 1945 - 1955. Veröffentlichungen der Kommission für saarländische Landesgeschichte
  und Volksforschung XIV. Saarbrücken 1984. S. 113, Anm. 271

- Wittenbrock, Rolf. Vom Collège Maréchal Ney zum Deutsch-Französischen Gymnasium. In: Deutsch-Französisches Gymnasium (Hg.),
  Deutsch-Französisches Gymnasium 1961–1986, Saarbrücken 1986. S. 17-29

- Wittenbrock, Rolf. Deutsch-Französisches Gymnasium Saarbrücken. In: Rainer Hudemann unter Mitarbeit von Marcus Hahn, Gerhild
  Krebs und Johannes Großmann (Hg.): Stätten grenzüberschreitender Erinnerung - Spuren der Vernetzung des Saar-Lor-Lux-Raumes im 19.   und 20. Jahrhundert. Lieux de la mémoire transfrontalière - Traces et réseaux dans l’espace Sarre-Lor-Lux aux 19e et 20e siècles,
  Saarbrücken 2002, 3., technisch überarbeitete Auflage 2009. Publiziert als CD-ROM sowie im Internet unter
  http://www.memotransfront.uni-saarland.de. URL des zitierten Artikels: http://www.memotransfront.uni-saarland.de/dtfrz_gymnasium.shtml

- Kunstlexikon Saar. Ein Forschungsprojekt des Instituts für aktuelle Kunst im Saarland an der Hochschule der Bildenden Künste Saar.   Architektur. http://www.kunstlexikon-saar.de/architektur/artikel/-/aspekte-die-franzoesischen-urbanisten-an-der-saar-1945-bis-1947/100/

- Mission Diplomatique Française en Sarre (Hg.). Lycée Maréchal Ney Sarrebruck. Saarbrücken, o.J. (1953)

- L'enfant et nous. Revue française et internationale d'information culturelle et sociale. No.10. Paris, o.J. (ca.1953). [Ohne Seitenzahlen]



ANHANG 
 

 

Organisation der Schullaufbahn an der Marschall-Ney-Schule zwischen 1946 und 1959

 

Der Studienablauf an der Marschall-Ney-Schule von den Anfangsklassen der Grundschule über das Collège bis zum Abitur am Gymnasium war relativ einfach und überschaubar in den Jahren 1946 bis 1956 und wahrscheinlich auch bis zu dem Zeitpunkt, an dem aus dieser Einrichtung das "Deutsch-Französische Gymnasium" wurde.

 

Vorbemerkungen: In Frankreich werden die Klassen in "umgekehrter" Reihenfolge gezählt. Klasse 12 ist also für die jüngsten Schüler, Klasse 1 für die ältesten. Das angegebene Durchschnittsalter bezieht sich auf Schüler, die - wie in Frankreich damals üblich - mit fünf Jahren in die Grundschule eintraten und im Laufe ihrer Schulzeit keine Klasse wiederholten.

 

Der französische Schulzweig der Marschall-Ney-Schule war in drei Abschnitte eingeteilt:

 

A) Die Grundschule (L'école primaire): Sie umfasste sechs Jahre und ging von der 12.bis zur 7. Klasse (durchschnittliches Alter der Schüler: 5 bis 10 Jahre).

 

Die 12 und 11. Klasse wurden als Vorschule bezeichnet (heute CP1 und CP2), in der die Kleinen mit ihrer Umwelt vertraut gemacht wurden (Alter: 5 und 6 Jahre)

 

Die 10 und 9. Klasse bildeten den Grundkurs (heute CE1 und CE2), in dem die Kinder begannen, spielend lesen, schreiben, zeichnen und rechnen zu lernen (Alter: 7 und 8 Jahre).

Die 7. und 8. Klasse stellten den mittleren Kurs dar (heute CM1 und CM2). Die Schüler lernten korrektes Lesen und Schreiben in ihrer Muttersprache sowie Rechnen. Sie entdeckten die Sachfächer Geschichte, Erdkunde und Naturwissenschaft, und sie wurden in Moral, Disziplin, Gehorsam und Respekt dem Lehrer gegenüber eingewiesen. (Alter 9 und 10 Jahre)

Dieser Schulabschnitt wurde mit dem „Certificat d’études“ (Grundschulabschlusszeugnis) abgeschlossen. Es bescheinigte eine Grundausbildung, die es den Schülern erlaubte, einen Beruf zu ergreifen, wenn sie die Schule verlassen wollten. Wer den Schulbesuch fortsetzen wollte, konnte ins „Collège“ eintreten, wenn am Ende der 7. Klasse die Zugangsprüfung zur Klasse 6 erfolgreich abgelegt wurde.

 

B) Das „Collège“ (vierjährige Sekundarschule) umfasste die 6. bis 3. Klasse (durchschnittliches Alter 11 bis 14 Jahre). Mädchen und Jungen waren getrennt.

 

Darin gab es zwei Zweige:

1) „Classique“ (C) (altsprachlich). In den C-Klassen wurden Latein und Griechisch unterrichtet.

2) „Moderne“ (M) (neusprachlich). In den M-Klassen lernte man zuerst eine, dann zwei moderne Sprachen (Deutsch und Englisch), eine davon in der 6. und 5. Klasse, eine zweite in den Klassen 4 und 3.

Der Unterricht umfasste in beiden Zweigen auch die Fächer Mathematik,Französisch, Geschichte, Geografie, Biologie, Kunstgeschichte und Sport.

 

3) In der 6. bis 4. Klasse gab es noch eine dritte Abteilung, die aus den so genannten „Saarländischen Klassen“ bestand. Sie sollte den saarländischen Schülern die Französisch-Kenntnisse vermitteln, die für ihre Zusammenlegung mit den französischen Schülern in der 3. Klasse notwendig waren. Wer schon früher genügend gut Französich sprach, konnte bereits in der 5. oder 4. Klasse in die französische Sektion überwechseln.

 

Am Ende dieses Schulabschnitts legten die Schüler zu Ende der 3. Klasse ein Examen ab (sie waren dann im Durchschnitt 14 Jahre alt) und erhielten das BEPC (Brevet d’ Etudes du premier Cycle - entspricht etwa der Mittleren Reife an deutschen Schulen). Danach konnten sie die Schule verlassen, um entweder ins Berufsleben (als Lehrling in einem Unternehmen) einzutreten oder die Ecole Normale (entspricht unserer Pädagogischen Hochschule zur Ausbildung von Grundschullehrern) zu besuchen. Sie konnten mit dem BEPC auch ans Gymnasium überwechseln.

 

C) Das Gymnasium umfasste die 2. und 1. Klasse sowie die Abschlussklasse (3 Jahre; Alter 15 bis 17 Jahre). Danach konnte man auf dem Lycée Maréchal Ney noch zwei Vorbereitungsklassen für die „Grandes Écoles“ (entspricht etwa den Eliteuniversitäten) absolvieren:
Math - Sup (angewandte Mathematik) und Math - Spé (spezielle Mathematik). Diese wurden aber Ende 1955 wegen zu geringer Nachfrage eingestellt. Die daran Interessierten mussten dann nach Straßburg oder Nancy gehen.

Für die 2. und 1. Klasse gab es zwei Abteilungen:

Eine Abteilung „Classique A, B“ für die eher literarischen Studien und eine Abteilung „Moderne C, M“ für die eher naturwissenschaftlichen Studien. Natürlich waren Übergänge möglich, also von „Classique“ zu „Moderne“ bei entsprechenden naturwissenschaftlichen Fähigkeiten, oder von „Moderne“ zu „Classique“ bei Schwächen auf naturwissenschaftlichem Gebiet. Dies wurde ziemlich flexibel gehandhabt, und es gab eine geringe Durchfallquote. Aber nur eine kleine Anzahl von Schülern hat von dieser Möglichkeit des Wechsels Gebrauch gemacht.

 

Die Prüfung zum „1. Teil des Abiturs“ schloss den Studienblock der 2. und der 1. Klasse ab. Wer sie erfolgreich ablegte, durfte die Abschlussklasse besuchen. Diese bot drei Möglichkeiten:

 

Elementare Mathematik (Math-Elem), Experimentale Wissenschaft (Sc-Ex) und Philosophie (Philo). Die erste Variante beinhaltete eine Grundausbildung in exakten Wissenschaften (Mathematik, Physik, Chemie). Sie öffnete den Weg zu Hochschulstudien (sciences fondamentales, Math Sup, Math Spé, anschließend Zugang zu den Eliteuniversitäten).

 

Die zweite Möglichkeit ermöglichte den Zugang zu Hochschulstudien in angewandten Wissenschaften (Physik, Chemie, Biologie, Botanik, Geologie, Pharmazie, Medizin…).

 

Die dritte Möglichkeit, die Philosophieklasse, führte zu humanistischen Studien (Jura, Wirtschaft, Soziales, Rechnungswesen, Verwaltung, Sekretariat…).

 

Am Ende der Abiturklasse stand der „2. Teil des Abiturs“, der den Absolventen das Recht zur Aufnahme von Hochschulstudien gab (Universität, Vorbereitungsklassen für die Elitehochschulen und Eintritt in bedeutende Hochschulen, wie HEC (Hautes Études Commerciales - Wirtschaftsstudien), Polytechnique (Hochschule zur Ausbildung von Ingenieuren), Ecole Centrale (Ausbildung zur Leitung eines privaten oder staatlichen Unternehmens), Normale Sup (Studien zur Lehrer- und Professorenausbildung), ENI (Ecole Nationale d’Ingénieurs - Ingenieursausbildung), Ecole des Mines (Bergakademie)…etc.

 

Nach dem Abitur gingen viele Schüler an die Universität, einige besuchten die Vorbereitungsklassen, andere wandten sich der Lehrerausbildung zu, und wieder andere strebten eine Laufbahn beim Militär an. Sehr viele Mädchen besuchten die Universität, nur wenige gingen wegen der Dauer, Schwierigkeit und Strenge der Studien auf Eliteschulen . Da sie im Heiratsalter waren, wollten viele von ihnen nun eine Familie gründen. Trotzdem ergriffen zahlreiche junge Frauen einen Beruf im öffentlichen oder privaten Bereich, nachdem sie noch zwei oder drei Studienjahre auf einer Universität absoviert hatten oder auf einer für Frauenberufe geeigneten Fachschule (für Sekretärinnen, Kindergärtnerinnen, Laborantinnen, Krankenschwestern, Lehrerinnen…).

 

KOMMENTAR (von Jean Kind):

Der schulische Studiengang der 40er, 50er und 60er Jahre (bis 1968, dem Jahr der angeblichen Kulturrevolution in Frankreich, als sich aber eher das Chaos installierte) war relativ einfach und verständlich. Diese Studien waren sehr gut dazu geeignet, die Menschen an das Berufsleben heranzuführen. Sie verfolgten nicht den Zweck, sie in einem Beruf auszubilden, sondern ihnen ein Grundwissen, eine Allgemeinbildung beizubringen, die ihnen dann erlaubte, einen Beruf oder ein Hochschulstudium für leitende Angestellte zu ergreifen. Sie waren nicht dazu bestimmt, die Menschen direkt für einen speziellen Beruf auszubilden, sondern sie befähigten intelligente Menschen zu unterschiedlichen Berufen und brachten keine Roboter hervor, die außerhalb ihrer vorgegebenen Fähigkeiten verloren sind. Das war aus gesellschaftlicher Sicht eine bedeutend bessere Vorbereitung auf eine berufliche Tätigkeit.

 

(J. Kind erzählt auch auf unserer Seite Sechs Schüler zusammen mit fünf Freunden über ihre Erinnerungen und Abenteuer aus der Zeit.)

 

                                                                                                            Diese Seite wurde begonnen am 14.10.2010. Zuletzt bearbeitet am 20.2.2021  

 

 

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