Übersicht über die zwischen 1945
und 1959 im Saarland tätigen Parteien und Gruppierungen
Abk.
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Name der Partei
oder Gruppierung |
Vorsitzender
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Gründung
am
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Zeitung/ Organ/
Sonderblatt
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Stellung
zum
Saar-
statut
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Entwicklung
nach der Volks-
befragung
1955
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Die Regierungsparteien:
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CVP
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Christliche
Volkspartei des Saarlandes
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Johannes Hoffmann
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10.1.1946
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"SVZ" *),
"Wir sagen
Ja!"
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JA
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1959 in der CDU aufgegangen
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SPS
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Sozialdemokratische
Partei des Saarld.
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Richard Kirn
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im Oktober 1945 inoffziell;
6.1.1946 offiziell
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"Volksstimme",
"Unter
der Lupe"
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JA
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1956 mit DSP
--> SPD-Saar
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Die
"pro-deutschen" Parteien (sie
schlossen sich am 3. September 1955 zum
Heimatbund
zusammen):
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CDU-
Saar
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Christlich-Demokratische
Union Saar
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Hubert
Ney
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1952 inoffiziell
7.8.1955 offiziell
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"NN" *),
"Im Kreuzfeuer"
|
NEIN
|
blieb CDU-Saar
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DSP
|
Deutsche
Sozialdemokratische Partei
|
Kurt Conrad
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24.2.1952 inoffiz.
25.7.1955 offiziell
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"AZ" *),
"Die Wespe"
|
NEIN
|
1956 mit SPS
--> SPD-Saar
|
DPS
|
Demokratische
Partei Saar
|
Heinrich Schneider
|
26.10.46 als DVS
28.2.47 als DPS
|
"Deutsche Saar"
|
NEIN
|
--> FDP/DPS
|
Andere
Parteien:
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|
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KPS
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Kommunistische
Partei des Saarlandes
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Fritz Nickolay, ab
1950 Fritz Bäsel
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13.12.1945
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"Neue
Zeit"
|
NEIN
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wurde am 9.4. 1957 verboten
|
DDU
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Deutsche
Demokratische Union (linksgerichtet)
|
?
|
28. 9.1955
|
"Nein
zu jedem Saarstatut"
|
NEIN
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ab 1961: DFU, Landsverbd
Saar
|
FDP/
Saar
|
Freie Deutsche
Partei
(liberal, aber nicht
zu verwechseln mit der Bundes-FDP = Freie
Demokratische Partei)
|
?
|
3.9.1955
|
--
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JA, aber NEIN zur
Regierung
|
--
|
CSU-
Saar
|
Christlich-Soziale Union
(Splitterpartei;
ohne Mitwirkg. und Billigung
der bayrischen CSU gegründet)
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Carl Friedrich Eckert
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22.9.1955
|
--
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JA
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1957 mit der CVP vereinigt
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Sonstige
Gruppierungen (die aber keine Parteien waren):
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MRS
|
Mouvement
pour le Rattachement de la Sarre à
la France (mehr dazu ganz unten in 2f)
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Friedrich Pfordt,
Dr. Sender
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Frühjahr
1945
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"Die Neue Saar"
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--
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--
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DSB
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Deutscher
Saarbund e.V.,
(von der BRD
aus tätig, Sitz in Frankfurt/Main)
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"Deutsche Saar-
Zeitung"
|
JA
|
--
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andere, kleinere Gruppierungen
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siehe unter 2g) |
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|
Europa-Bewegung des Saarlandes
(setzte
sich mit Hilfe von z. T. großformatigen Zeitungsanzeigen und anderen
Druckwerken für die Annahme des Saarstatuts ein.)
|
JA
|
--
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*) Abkürzungen von Zeitungsnamen: SVZ = Saarländische Volkszeitung;
AZ = Allgemeine Zeitung;
NN = Neueste Nachrichten
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2) Die Entwicklung
der einzelnen Parteien und Gruppierungen
Inhalt: a) CVP und CDU-Saar b) DPS c) SPS
und DSP d) KPS
e) kleinere Parteien und Gruppen f)
MLS und MRS
a) Christliche Parteien: CVP (Christliche Volkspartei) und CDU-Saar (Christlich Demokratische Union Saar)
Von 1946 bis 1952 war die Christliche Volks-Partei (CVP) die
einzige christliche Partei im Saarland. Nach dem Entstehen der CDU-Saar
mussten sich die beiden Parteien mit der Spaltung des christlichen
Lagers
ausein- andersetzen, die bis zur Verschmelzung beider Parteien im Jahre
1959 bestand. Dabei nahmen beide für sich in Anspruch, ihre politischen
Zielvorstellungen aus der Überzeugung des Christentums abzuleiten, und
dies hat die Auseinandersetzungen an der Saar vor, während und nach der
Volksabstimmung geprägt und verschärft.
Die Anfänge der CDU im Saarland
Innerhalb
der CVP hatte sich in den ersten Jahren des Hoffmann-Regimes eine
innerparteiliche Opposition herausgebildet, die mit dem Vorantreiben
des wirtschaftlichen Anschlusses und der politischen Autonomie des
Saarlands durch Johannes Hoffmann unzufrieden war. Aus dieser
Opposition formierte sich 1952 ein Gründungsausschuss, der am 6.
Februar 1952 den Antrag auf Zulassung
der Christlich Demokratischen Union-Saar stellte. Zunächst musste aber
noch ein neues Parteiengesetz geschaffen werden, das die Zulassung
weiterer Parteien im Saarland ermöglichen sollte. Es wurde zwar
bereits im März 1952 durch den Landtag verabschiedet, seine Verkündung
hat die Regierung aber hinausgezögert, so dass der Gründungsausschus
erst am 4. Juni 1952 zu seiner ersten konstituierenden Sitzung zusammentreten konnte.
244 Gründungsmitglieder leisteten (im Langwiedstift zu Saarbrücken) die laut Parteiengesetz für die Zulassung einer neuen Partei notwendigen
Unterschriften. Diese
Gruppe setzte sich mehrheitlich (164) aus Arbeitnehmern zusammen. Der Rechtsanwalt Dr. Hubert Ney aus Saarlouis wurde zum ersten Landesvorsitzenden gewählt und Karl Walz,
Gewerkschaftssekretär aus Saarbrücken, zu seinem Stellvertreter. Beide
waren ehemalige Mitglieder der CVP, die gegen den Kurs der Regierung
opponiert hatten, und von denen der eine deswegen freiwillig aus der
Partei ausschied
und der andere ausgeschlossen wurde.
Durch
die Regierung geschickt in die Länge gezogene weitere Verhandlungen und
Auseinandersetzungen um die Zulassung der CDU-Saar führten dazu, dass
diese es nicht mehr schaffte, an der Landtagswahl im Oktober 1952
teilzunehmen, die ebenso geschickt kurzfristig terminiert worden war.
Hintergrund für die Verzögerungen war stets die Forderung, dass sich
die um Zulassung strebende Patei zur saarländischen Autonomie bekennen
sollte, wie es in der Verfassung festgeschrieben stand. Da die CDU
dieses Bekenntnis - natürlich - nicht ablegen wollte, hatte die
Regierung einen guten Vorwand, ihr die Zulassung zu verweigern. Deshalb
war die CDU-Saar von Beginn an als Partei illegal, und dieser Status
sollte bis zur endgültigen Zulassung aller pro-deutschen Parteien im
Jahre 1955 fortdauern. Die Auseinandersetzungen um die Zulassung der
CDU-Saar war der Ursprung des vergifteten Klimas innerhalb der
christlichen Parteien, was dazu führte, dass die politische
Gegnerschaft zwischen ihnen von persönlichen Feindschaften geprägt war.
Das Bild oben zeigt das Abzeichen der CVP (Nachlass Minister Erwin Müller; Foto: Jan Müller, Saarbrücken)
Erst
als im Saarabkommen vom 24. Oktober 1954 die Voraussetzungen für die
offizielle Zulassung derjenigen Parteien geschaffen wurde, die für die
Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik eintraten, konnte
sich die CDU-Saar endlich als offizielle Partei gründen. Am 7. August 1955 fand
man sich im Johannishof in Saarbrücken zusammen, um Dr. Hubert Ney,
der die Partei ja schon während der Zeit der Illegalität geführt hatte,
zum Landesvorsitzenden zu wählen. Als Ehrenvorsitzender wurde der 1948
aus dem Saarland ausgewiesene Pfarrer Bungarten ernannt. Schon zu
diesem Zeitpunkt zeigte sich die enge Verbundenheit zu den anderen
pro-deutschen Parteien, denn die Vorsitzenden von DPS und DSP, Heinrich
Schneider
und Kurt Conrad, konnten an die anwesenden 600 Delegierten ihre
Grußworte richten. Folgender Satz aus einem der ersten Aufrufe der
CDU-Saar an ihre Mitglieder zeigte ganz deutlich das Verhältnis zu der
anderen christlichen Partei (CVP) auf
und legte die Marschroute zur Volksabstimmung fest:
"Der Weg nach Europa führt nicht über die Verleugnung des Vaterlandes - deshalb: Kein Europa ohne Vaterland!"
Die CDU-Saar und das Europäische Statut
Das
große Problem der CDU-Saar hinsichtlich des Saar-Statuts bestand darin,
dass sie es als pro-deutsche Partei ablehnte, während die Bundes-CDU um
Konrad Adenauer es jedoch befürwortete; denn dieser hatte es ja mit der
französischen Regierung ausgehandelt. Somit sah sich die Saar-CDU
ständig zur Legitimation ihrer Haltung
gezwungen. Sie musste ferner dafür sorgen, dass ihre politischen Gegner
aus der CVP nicht als Partner Konrad Adenauers auftreten konnten.
Entscheidend begründet wurde die Ablehnung des Europäischen Statuts von
den saarländischen Christdemokraten durch die christliche Pflicht zur Vaterlandsliebe und -treue.
Diese Treue zum Vaterland wurde als absoluter Wert angeführt und Hörern
und Lesern politischer Agitationen oftmals als "Gewissensfrage"
dargestellt.
Die Auseinandersetzung zwischen CDU-Saar und CVP zur Zeit des Abstimmungskampfes
Am 5. September 1955 schlossen sich die drei pro-deutschen Parteien CDU-Saar, DPS und DSP zum "Deutschen Heimatbund" zusammen. Ihr politisches Ziel war es, die Ablehnung des Saar-Statuts
zu erreichen. Dies gelang den drei Parteien dadurch, dass sie es
schafften, in ihrem Abstimmungskampf den Saarländerinnen und
Saarländern zu suggerieren, dass
sie mit ihrem Votum auch über das Schicksal der Regierung Hoffmann und
seiner CVP entscheiden würden.
In diesem Sinn sprachen Hubert Ney und Heinrich Schneider unentwegt von
"der Abrechnung mit dem separatistischen Joho-Regime" und von dem Ziel,
"die Macht der herrschenden Parteidiktatur zu beenden". Außerdem gelang
es ihnen, den Eindruck zu erwecken, als gehe es bei der Volksbefragung
nicht um die Annahme oder Ablehnung des Europäischen Statuts, sondern
um ein Ja oder Nein zur Wiedervereinigung des Saarlands mit
Deutschland. Somit trug das eine christliche Lager (Saar-CDU) durch
Agitationen auf emotionaler Ebene gegen die politischen Ziele des
anderen christlichen Lagers (CVP) zur unversöhnlichen
Auseinandersetzung beider Lager bei.
Im
Verlauf des Abstimmungskampfes wurde immer deutlicher, dass die CVP der
Emotionskampagne der Heimatbundparteien, und insbesondere der Saar-CDU,
nichts Vergleichbares entgegensetzen konnte. Zudem war die regierende
CVP durch ihr langjähriges Machtmonopol an öffentliche Kritik und
Opposition nicht mehr gewohnt und zu wenig flexibel, um der polemischen
Agitation der Gegner wirkungsvoll entgegenzutreten.
Nach der Volksbefragung
Unmittelbar
nach der Volksbefragung forderte der Trierer Bischof Dr. Wehr die
beiden christlichen Parteien auf, eine Einigung herbeizuführen. Eine
geplante schnelle Einigung von CVP und CDU-Saar wurde im April 1956
durch den CVP-Vorstand verhindert, weil die CVP-Unterhändler Beratungen
mit CDU-Vertretern ohne Rückendeckung ihrer Partei aufgenommen
hatten. Die Verhandlungen gingen aber unter der neuen CDU-Führung (Egon
Reinert und Franz-Josef
Röder) weiter. Anders als bei den beiden sozialdemokratischen Parteien
SPS und DSP vollzog sich die Vereinigung der beiden christlichen
Parteien aber nur schleppend und unter Vorbehalt vieler Politiker, da
sich doch viele Unversöhnlichkeiten und gar Feindseligkeiten auftaten
und erst einmal überwunden werden mussten.
Im
Februar 1959 trat die CVP mit ihrem Minister Schnur in eine
CDU/SPD/CVP-Regierung ein. Auf lokaler Ebene hatten sich CDU und CVP
schon vorher an vielen Orten zusammengeschlossen. Im April 1959 gab
Johannes Hoffmann als Ehrenvorsitzender der CVP auf dem 12. Parteitag
der CVP seinen Parteifreunden die Empfehlung, die CVP aufzulösen und
der CDU beizutreten.
___________________
Literaturhinweise:
- Bauer, Gerhard: Die CDU im Saarland. Saarbrücken 1981.
- Repgen, Konrad:
Die Saar-Frage im Bundesparteivorstand der Christlich Demokratischen
Union Deutschlands 1950-1955. Über die Verschränkung von
Innen- und Außenpolitischem in der Politik Konrad Adenauers. In:
Altermatt / Garamvölgy
(Hrsg.).: Innen- und Außenpolitik: Primat oder
Interdependenz? Festschrift zum 60. Geburstag von Walther Hofer.
Stuttgart, 1980. S. 87-123.
- Freymond, Jacques. Die Saar 1945-1955. München 1961.
b) DPS - Demokratische Partei
Saar
Übersicht
Am 28. Februar 1947 wurde die
seit dem 26. Oktober 1946 bestehende DVS ("Demokratische
Vereinigung des Saarlandes") in "Demokra- tische Partei des Saarlandes"
(DPS) umbenannt.
Während ihr Parteiprogramm anfangs den Wünschen
der Besatzungsmacht entsprochen hatte, begann sie bald
damit, gegen Frankreich Propaganda zu machen. Deswegen
wurde sie auf eine Aufforderung der Franzosen hin
von der Saar-Regierung am 21. Mai 1951 verboten.
Als Begründung hieß es, die Partei sei verfassungswidrig,
weil sie "insbesondere den wirtschaftlichen Anschluß
der Saar an Frankreich und die politische Unabhängigkeit
des Saarlandes von Deutschland ablehne". Nach der
Zulassung pro-westdeutscher Parteien wurde die DPS am
5. 5.1955 wiedergegründet.
Nach dem Beitritt des Saarlandes
als Bundesland zur Bundesrepublik Deutschland schloss
sich die DPS am 11. August 1957 als saarländischer
Landesverband der FDP an. Der Name dieses Verbandes
lautet heute noch korrekt "FDP/DPS", satzungsgemäß
wird aber nur noch die Bezeichnung "FDP" verwendet.
Welche Rolle spielte die DPS
im teilautonomen Saarland? Betrachten wir zunächst
die Ideologie der Partei. Ihr Programm kann in drei
Phasen aufgeteilt werden:
1945-1950: liberal,
1950-1957: national-konservativ,
ab 1957: Versuch der Anpassung der weltanschaulichen
Ausrichtung, beruhend auf spezifisch saarländischen Verhältnissen, an
die westdeutsche FDP.
Gründung, historische Tradition,
Entwicklungsgeschichte
Die am 26. Oktober 1946 als "Demokratische
Vereinigung des Saarlandes" (DVS) zugelassene und am
28. Februar 1947 in "Demokratische Partei des Saarlandes"
(DPS) umbenannte Partei stand in der Tradition der national- liberalen
"Deutsch-Saarländischen Volkspartei"
(DSVP; sie war 1933 in der von den Nazis gesteuerten
"Deutschen Front" aufgegangen).
Die Personengruppe, die sich
1945/46 um die Zulassung einer liberalen Partei im Saarland
bemühte, stand auf dem Standpunkt, dass die Saar ein Bestandteil
Deutschlands war. Dieser Einstellung konnte die damalige
französische Besatzungsmacht allerdings nicht zustimmen.
Dem musste man sich fügen, und man akzeptierte
zunächst den wirtschaftlichen Anschluss des Saarlandes an Frankreich
und seine politische Trennung von Deutschland, um im
Gegenzug dafür die Lizenz zu bekommen.

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Die entscheidende Wendung in der Entwicklung der DPS wurde Anfang 1950 durch den Eintritt von Heinrich Schneider (Bild links), Richard Becker (Bild rechts), Paul Simonis und einigen anderen
in die Partei eingeleitet. Da an die Gründung einer eigenständigen oppositionellen Partei nicht zu denken war, wollten sie die
DPS im Sinne einer "deutsch ausgerichteten Opposition" unterwandern und
umkrempeln, legitimiert durch die ursprünglichen Ziele und Grundsätze
bei der Gründung der Partei und vor dem Hintergrund, dass die DPS
bislang noch keine
konstituierende Mitgliederversammlung durchgeführt hatte.
|
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Die "Becker-Schneider-Richtung"
verdrängte somit innerhalb der Partei diejenigen,
die den frankophilen Kurs tolerierten, und es wurde
ein neuer Parteivorstand mit Richard Becker als Vorsitzendem
und Heinrich Schneider als Beisitzer gewählt. Letzterer
hielt sich, obwohl er als Motor der Partei galt, zunächst
gerne im Hintergrund.
Doch es ging der neuen Führung
nur vordergründig darum, die fallengelassene nationale
Komponente von 1947 wieder aufzugreifen. Vielmehr lag
ihre Absicht darin, die DPS zum Sammelbecken aller nationalen
Kräfte an der Saar zu machen und den Namen "DPS"
nur aus lizenzrechtlichen Gründen weiterzuführen.
Die regierende CVP um den Ministerpräsidenten Hoffmann erkannte sehr schnell die heranwachsende Konkurrenz
und versuchte zunächst durch ein Verbot DPS-interner
Rundschreiben die öffentliche Verbreitung von Zielen
und Vorstellungen der Partei zu verhindern. Man ging
davon aus, dass die DPS sich dieser Rundschreiben zur
"Verbreitung pro-deutschen Gedankenguts" bediente,
da sie noch nicht über eine Parteizeitung verfügte,
die man hätte zensieren oder verbieten können.
Eine Großkundgebung der
Partei am 6. Mai 1951 wurde verboten, da man angeblich
die öffentliche Ordnung gefährdet sah. Hierauf
folgte auch ohne Umwege das Parteiverbot - anhand von
hierzu gefälschten Diffamierungen: Es tauchte ein
Telegramm auf, welches die DPS in Verbindung mit der
in der BRD wieder erstandenen SRP (Sozialistische Reichspartei)
bringen und somit in ein neofaschistisches Licht rücken
sollte. Heinrich ("Heini") Schneider, dem
führenden Kopf der DPS, waren nationalistische
Töne im Übrigen nicht fremd; denn vor 1937
war er zeitweise NSDAP-Mitglied gewesen. Obwohl sich
das fragliche Telegramm bald als von der Joho-Regierung
fingiert herausstellte, wurde am Verbot der Partei festgehalten.
Als Begründung diente die Behauptung, dass diese
Partei gegen die Verfassung verstoße. Grundlage
hierzu war die erste Ausgabe der Parteizeitung, die
einen pro-deutschen Vorschlag zur Lösung der Saarfrage
brachte - und damit gegen die Präambel der saarländischen
Verfassung verstieß, in der der wirtschaftliche
Anschluss an Frankreich festgeschrieben war. Hinzu kam
die Vorhaltung, die Umformierung der Partei sei auf
undemokratische Weise geschehen und diese habe mit der
ursprünglich erlaubten Partei nichts mehr zu tun.
Das Verbot der DPS kam für
das Hoffmann-Regime einem Pyrrhus-Sieg gleich, denn
zu offenkundig war seine politische und juristische
Unhaltbarkeit.
So blieb die DPS geschickt im
Hinter- und Untergrund, ließ ihre Absichten nicht
mehr klar und offensichtlich erkennen und bediente sich
der regelmäßig auftretenden Widersprüche
Johannes Hoffmanns in der Saarfrage, um ihn und seine
Politik anzugreifen.
Folgende Gewinne zog die DPS
aus ihrem Verbot:
Sie
hatte die Europa- und Autonomievorstellungen der Hoffmannregierung
als idealistische Gedankengebilde entlarvt, die viele
für unrealistisch und unrealisierbar hielten.
Ihr Verbot dokumentierte die
innenpolitische Schwäche und die mangelhafte demokratische
Legitimation des saarländischen politischen Systems.
Die juristische Auseinandersetzung
um das Verbot dauerte mehr als zwei Jahre. In dieser
Zeit konnte die DPS sich immer wieder in illegal verbreiteten
Schriften äußern und damit ihre Legitimation
einfordern.
Das Verbot verschaffte der DPS
einen "Märtyrernimbus", der es ihr ermöglichte,
zum Kern der deutschen Opposition an der Saar zu werden
und ihren Einfluss weit über ihre eigentliche liberale
Anhängerschaft hinaus auszudehnen.
In dieser Zeit der Illegalität
versuchte die DPS, von innen und außen Einfluss
auf die Entwicklung der Saarpolitik zu nehmen: Sie wollte
im Saarland eine Oppositionsbewegung gegen das Hoffmann-Regime
organisieren und ließ in der BRD Flugblätter
und Broschüren produzieren, die meist illegal ins
Saarland geschleust und verbreitet wurden. Sie sollten den
Standpunkt der saarländischen Opposition gegenüber
Adenauer auf Bundesebene vertreten.
Als den bislang verbotenen oder gar nicht
erst zugelassenen pro-deutschen Parteien im Juli 1955
(drei Monate vor der Volksbefragung) die Teilnahme am
Abstimmungskampf gestattet wurde, schlossen sich alle
nicht-kommunistischen und pro-deutschen Parteien im
Heimatbund zusammen, um gegen das von Frankreich und
der BRD ausgehandelte Saarstatut Stellung zu beziehen.
Die Grundlagen für diese Zusammenarbeit waren schon
in der Phase der Illegalität geschaffen worden.
Im Heimatbund war die DPS neben
CDU-Saar und DSP die führende Kraft, weil sie mit
Heinrich Schneider als Vorsitzendem über einen
energischen Politiker seiner Zeit verfügte und
weil die von vielen Saarländern ersehnte Rückgliederung
der Saar an Deutschland das zentrale programmatische
Ziel der DPS war.
Durch die Agitation der DPS bekam
die Volksabstimmung
am 23. Oktober 1955 einen ganz anderen Sinn, als ihr eigentlich
zugedacht war. Aus der Abstimmung über das Statut, dessen Ablehnung zunächst nur
die Wahrung des Status quo bedeutet hätte, machten die Heimatbund-
Parteien eine Abstimmung über die Frage, ob das Saarland zu Deutschland
zurückkehren sollte oder nicht. Nach dem Sieg des Nein zog die Politik
die Konsequenz, dass die politische Trennung des Saarlandes von
Deutschland nicht mehr länger aufrecht erhalten werden könne. Dadurch
wurde die Bedeutung, die die Heimatbundparteien der Abstimmung im
Vorfeld gegeben hatten, bestätigt.

|
Das Abstimmungsergebnis zahlte sich natürlich auch parteipolitisch für die DPS aus, denn sie wurde bei der Landtagswahl von 1955
mit 24,2 % der Stimmen hinter der Saar-CDU (25,4%) zweitstärkste
Partei. In der Folgezeit war die Partei bestrebt, dieses gute Ergebnis
zu wahren, und brachte sich mit mehreren Vorschlägen zur
gesamtdeutschen Wiedervereinigung
- vom Modellfall der Saar ausgehend - auf Bundesebene ein.
___________________
Literaturhinweise:
Stöss, Richard
(Hrsg.). Parteienhandbuch. Die Parteien der Bundesrepublik Deutschland
1945-80. Band 2: CSU-DSU. Opladen, 1983.
Schneider, Heinrich:
Das Wunder an der Saar. Stuttgart 1974.
< Foto der DPS-Fahne: Volker Felten
Auf unserer Seite "Zeitungen" finden Sie ganz unten einen interessanten Artikel von Heinrich Schneider aus der "Deutschen Saar" über
die "Gefahren des Saarstatuts".
|
c)
Der schwierige Weg der Sozialdemokratie im teilautonomen Saarland:
SPS - Sozialdemokratische Partei des Saarlandes und DSP - Deutsche Sozialdemokratische Partei
Vorgeschichte:
Von vornherein gilt es zu bemerken,
dass die Geschichte der Sozialdemokratie in ihren Anfängen nicht
nur im Saarland, sondern auch in der angrenzenden Pfalz,
wohl gar im ganzen Südwesten Deutschlands, eine
sehr wechselvolle war. Vor dem ersten Weltkrieg, zur
Zeit des Deutschen Reiches, galt die Saargegend zwar
als drittgrößtes Schwerindustrierevier nach
dem Ruhrgebiet und Oberschlesien, doch der patriarchalische
Führungsstil der privatkapitalistischen saarländischen
Unternehmen im Stummschen und Röchlingschen Sinn
- ihre Unternehmenspolitik war gleichzeitig Sozialpolitik
- ließ eine organisierte Sozialdemokratie nur sehr
schwer aufkommen. Zentrum und Nationalliberale bestimmten
das parteipolitische Leben. Die SPD konnte im Saarland auch deshalb nicht
Fuß fassen, weil die Berg- und Hüttenarbeiter
im 19. Jahrhundert zu einer konservativen Haltung gewissermaßen
erzogen wurden, denn sie hatten wegen der isolierten Lage der
Industriedistrikte die Stellung von gewohnheitsrechtlich
bevorzugten Knappen. Die Arbeiter wurden durch
Privilegien an die bestehende Ordnung gebunden und durch
die Tatsache, dass sie in der näheren Umgebung
keine Wahl eines anderen Beschäftigungsverhältnisses
hatten. Dies hat Auswirkungen bis in die heutige Zeit.
Der Zusammenbruch des Kaiserreichs
zum Ende des Ersten Weltkriegs war zwar zugleich
auch das Ende des "Königreichs Stumms",
aber die danach aufkeimende strukturierte
Sozialdemokratie
wurde schon bald wieder vom nächsten System, diesmal
dem faschistischen System der Nazis, unterdrückt.
I) Die Sozialdemokratische Partei des Saarlandes (SPS)
Nach dem Zweiten Weltkrieg
wurde dann im Hinterzimmer einer Saarbrücker Gaststätte Ende Oktober
1945 die SPS inoffiziell gegründet. Offiziell nannte man sich ab Januar
1946 Sozialdemokratische Partei,
Bezirk Saar. Diese Abtrennung von der deutschen
Mutterpartei erfolgte unter französischem Druck
in Hinsicht auf die Gewährung der Zulassung. Diese
Trennung führte aber nicht zur Verabschiedung eines
eigenen Programms.
Es waren vor allem pragmatische
Gründe, die die Führungsgruppe der Sozialdemokratischen
Partei der Saar um den Parteivorsitzenden Richard Kirn in der Nachkriegszeit dazu bewogen,
unverzüglich für einen wirtschaftlichen
Anschluss an Frankreich einzutreten, bei gleichzeitiger
politischer Trennung von Deutschland im Sinne einer
Autonomie.
Dies sollte in der Folgezeit
in der SPS zu zahlreichen innerparteilichen Auseinandersetzungen
führen. Es gab drei verschiedene Strömungen in der Partei:
- Viele aktive Mitglieder
gaben sich mit einem wirtschaftlichen Anschluss an Frankreich
nicht zufrieden und forderten die völlige Integration
in den französischen Staat.
- Dem gegenüber gab es in
einem anderen Lager viele, die eher zur Bundesrepublik
tendierten und die "separatistischen Implikationen"
in der Partei verurteilten.
Aus der letztgenannten pro-deutschen Opposition heraus entwickelte sich unter Ernst Roth
eine größere, ernst zu nehmende Richtung. Roth wurde aber im Vorstand
der SPS total isoliert und schließlich dazu gezwungen, seine
Parteiämter aufzugeben. An seine Stelle trat nun der einflussreiche Kurt Conrad, dessen Gruppe 1951 so stark war, dass sie es wagte, Richard Kirn auf einem Parteitag herauszufordern. Conrad kandidierte gegen Kirn um den Vorsitz, und es gab auch einen innerparteilichen
Kampf um das Amt des zweiten Vorsitzenden.
Diese
beiden Versuche scheiterten, doch die Tatsache, dass Kirn nicht mehr
wie bisher einstimmig gewählt wurde, legte die Bedrohung und Zerrüttung
der Partei offen. Die Zeit spielte für
die inner-parteiliche Opposition, denn der pro Deutschland orientierte
Flügel befand sich in stetigem Wachstum. In autoritäre Denkstrukturen
vergangener Zeiten verfallend, leitete man auch ein
Parteiordnungsverfahren
gegen
Conrad mit dem Ziel des Ausschlusses ein, dem dieser jedoch mit seinem
Austritt zuvorkam.
Bei der ersten Landtagswahl nach dem Referendum im Dezember 1955 erhielt die SPS nur noch 5,8 % der Stimmen Die logische Konsequenz war die rasch vollzogene Verschmelzung mit der anderen sozialdemokratischen Partei DSP (s.u.) zur SPD-Saar am 18. März 1956. - Bild rechts: SPS-PIN zur Volksabstimmung 1955 (Foto: Aline Edelmann)
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II) Die Deutsche
Sozialdemokratische Partei (DSP)
Die Führung der SPS war
zweifellos nicht im Unrecht, wenn sie diese innerparteiliche
Opposition der Sympathie oder sogar der aktiven Unterstützung
der DSP verdächtigte, deren Zulassung am 14. März
1952 beantragt wurde. Zwar wurde die Gründung dieser
neuen Partei zunächst (wie bei der Saar-CDU) durch
bürokratische Schikanen verzögert, doch der
gefährliche Aspekt dieser Aktion überwog den der Bequemlichkeit: Die SPS
erging sich in Illusionen über ihre wirkliche Stärke,
was sich, wie beschrieben, in der Landtagswahl nach
dem Referendum rächte.
Der Zulassungsantrag der DSP wurde wurde zwar offiziell nicht zugelassen,
operierte aber ähnlich im Untergrund wie die DPS
unter Schneider, begann mit einer Kampfansage an die
allgemeine Politik: "Die Bevölkerung des Saarlandes
besitzt keine nationale Eigenständigkeit und ist
Teil des deutschen Volkes." Doch musste die DSP,
ebenso wie die anderen pro-deutschen Parteien, bis zum
Juli 1955 warten, bis sie ihre Auffassungen offiziell
als nunmehr zugelassene Partei im Rahmen des Abstimmungskampfes
um das Saarstatut propagieren konnte, was sie, zusammen mit
den anderen beiden Heimatbundparteien DPS und CDU-Saar,
auch tat.
Wie
oben beschrieben, fusionierten SPS und DSP 1956 und bildeten gemeinsam
die neue Sozialdemokratische Partei, Landesverband Saar (SPD-Saar).
Dies geschah einerseits durch Druck der Basis und andererseits des
Bonner SPD-Parteivorstandes. Denn sonst drohte angesichts der
Wahlergebnisse die saarländische Sozialdemokratie wieder in der
Bedeutungslosigkeit zu versinken.
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Auch so wird Saar-Geschichte dokumentiert:
Diese
beiden Bilder zeigen Vorder- und Rückseite ein und desselben
Messingschildes vor und nach dem 18. März 1956. Es misst 50 x 30 cm und
trägt auf der einen Seite den alten Parteinamen "Deutsche
Sozialdemokratische Partei" (DSP). Nach dem Namenswechsel (siehe Text oben) wurde - wohl wegen Materialmangels - kein neues Schild angefertigt, sondern
einfach der neue
Name (SPD) auf der Rückseite eingraviert. Hergestellt wurde das Schild von der Firma Wwe. E. Ernst, Saarbrücken.
(Fotos:
www.auktionshaus-goetz.net; das Schild wurde im Juli 2011 dort zum
Verkauf angeboten. Wir danken für die Abbildungs-Genehmigung!.
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_______________
Literaturhinweis:
Dingel, Frank. Die Sozialdemokratische Partei
des Saarlandes. In: Richard Stöss (Hrsg.). Parteienhandbuch. Die Parteien der Bundes-
republik Deutschland 1945-1980. Band 4. NDP - WAV. Opladen, 1986.Seiten 2217-2240.
d) KPS - Kommunistische Partei, Landesverband Saar
Gastbeitrag von Patric Bies, Peter Imandt Gesellschaft/Rosa Luxemburg Stiftung-Saar
Da die französische KP im dortigen Parlament eine ziemlich starke Stellung hatte, sahen sich die Franzosen veranlasst,
auch an der Saar eine kommunistische Partei zuzulassen. So wurde hier die KPS schon während der Besatzungszeit der Franzosen lizenziert, nämlich am 13. Februar 1946. Vorsitzender war zunächst Fritz Nickolay, ab 1950 Fritz Bäsel. Das Parteiorgan
trug den Namen "Neue Zeit".
Die KPS war die einzige zugelassene Partei, die die
Abtrennung der Saar von Deutschland und ihre wirtschaftliche Vereinigung mit Frankreich ablehnte. Sie trat am 15. September 1946 bei den Kommunalwahlen
an (Ergebnis 9,1 %) und am 5. Oktober 1947 bei den Wahlen zur Verfassunggebenden Versammlung (8,4 %).
Ihr bestes Wahlergebnis erlangte sie bei
der Landtagswahl 1952, als sie 9,5 % der Stimmen
und damit vier Mandate erreichte.
Auf unserer Seite "Letzte Saar-Nachrichten" können Sie (unten als vorletzte Meldung vor dem "Atomwetter") eine
Polizeiliche Anordnung vom 19. Mai 1950 über das Verbot eines
Flugblatts aus dem Verlag des Parteiorgans "Neue Zeit" der KPS lesen.
Bei der Volksbefragung 1955
kämpfte die KPS gegen die Annahme des Saarstatuts, allerdings nicht an
der Seite des Heimatbundes. Sie wollte die Billigung des Statuts um
jeden Preis verhindern, weil die aus ihr resultierende Stärkung der
Autonomie des Saarlandes eine Voraussetzung für die Verwirklichung des
Schuman-Plans und der Pariser Verträge gewesen wäre.
Damit wäre auch eine baldige Aufnahme der Bundesrepublik in die NATO
ermöglicht worden, was natürlich nicht im Sinne der Kommunisten gewesen
wäre.
Die
Partei erreichte zwar ihr erstrebtes Ziel bei der Volksbefragung, denn
das Saar-Statut wurde abgelehnt. Die wichtigste Folge dieses Ergebnis
war der Anschluss des Saarlandes an die Bundesrepublik am 1.1.1957.
Aber dieser führte sehr schnell zum Ende der KPS: Da inzwischen in der
Bundesrepublik die KPD verboten war (seit 17. August 1956), konnte auch
die KPS im neuen Bundesland
Saarland nicht weiterbestehen.
Das saarländische
Innenministerium löste sie am 9. April 1957 auf.
Weitere Infos zur Rolle der KP im Saarland finden Sie auf unserer Seite über das gescheiterte Briefbomben-Attentat auf Johannes Hoffmann.
Die saarländischen Kommunisten und die Saarfrage
Bei der
Volksabstimmung am 23. Oktober 1955 über den künftigen Status des Saarlandes
ging es um die Frage, ob die Saarbevölkerung dem das Saarland
betreffenden Passus in den Pariser Verträgen (also das sogenannte Saarstatut) zustimmt oder nicht.
Nach
den Vorstellungen von Adenauer und den Westmächten sollten die Pariser Verträge
das Besatzungsregime in Westdeutschland offiziell beenden. Neben Fragen zur
Souveränität regelte das Vertragswerk auch den Beitritt der Bundesrepublik zur WEU und zur NATO, und es
ermöglichte Adenauer, die
Wiederbewaffnung einzuleiten.
Aber
auch die Zukunft des Saarlandes sollte eine Regelung erfahren, wobei alle
Unterzeichner davon ausgingen, dass diese an die Seite Frankreichs führen würde
und eine Volksabstimmung mehr oder weniger reine Formsache sei. Nicht ohne
Grund warfen viele Kritiker Bundeskanzler Adenauer vor, zum Preis der
„Westintegration“ das Saarland aufzugeben, denn der angestrebte „Europäische Status des
Saarlandes“ erfuhr keine nähere Erklärung, bedeutete aber in jedem Fall die
Abtrennung von Deutschland und die Fortsetzung der ökonomischen Verschmelzung mit Frankreich.
20
Jahre später trafen nun viele der damaligen Protagonisten erneut aufeinander.
Johannes Hoffmann, Christliche Volkspartei (CVP), und Richard Kirn,
Sozialdemokratische Partei Saar (SPS), verfochten als gestandene Hitlergegner
und Antifaschisten die Idee der Fortführung des Saarstaates.
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Die
Ablehner scharten sich um die ehemaligen NSDAP-ler, allen voran Heinrich
Schneider, denen es mit Un- oder Halbwahrheiten gelang, erfolgreich gegen den
Autonomie-Kurs Stimmung zu machen.
Und
da gab es noch die überschaubare Schar von Kommunisten, die sich seit Gründung
des Saarlandes 1947 gegen eine weitere Zersplitterung Deutschlands als Folge
des Zweiten Weltkriegs sperrten. In der Überführung der saarländischen Gruben und
Hütten in die französische Wirtschaftszone, also in der Auswechslung der
deutschen Kapitalisten durch französische, hatten sie schon damals keine
Vorteile gesehen. Warum sich fremden Herren ausliefern? Mit den eigenen hatte
man ja genug zu tun. Eine Politik, die selbst in Frankreich zahlreiche
Unterstützer fand: Die einflussreiche Kommunistische Partei Frankreichs wandte
sich seit 1947 gegen die Inbesitznahme des Saarlandes durch die französische
Großindustrie. Deren damaliger Vorsitzender Maurice Thorez (1900-1964) fürchtete einen
künftigen Zankapfel zwischen Frankreich und Deutschland, wie es die Erfahrungen
mit Elsass und Lothringen von 1870 bis 1918 oder dem Versailler Vertrag nach
dem 1. Weltkrieg befürchten ließen.
Einzig die Saar-Kommunisten standen seit Gründung des Saarstaates im Jahr 1947 zu
diesem anvisierten Status in Opposition und traten gegen ihn auf. Doch was dann in den Monaten vor
und nach der Abstimmung am 23. Oktober 1955 an Dynamik gewann, weckte
Erinnerungen an die Auseinandersetzungen von 1935, als es um die Frage
„Anschluss an Hitler-Deutschland“ oder übergangsweise Fortführung des
Völkerbundmandats, also den „Status quo“, ging. Damals standen die auf Ausgleich mit
Frankreich bedachten Bevölkerungsteile denen mit deutschnationalen
Parolen und Positionen unversöhnlich gegenüber.
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In den 50er-Jahren keine einfache Position, herrschte doch kurz nach dem Krieg
noch tiefes Misstrauen gegen das entstehende Westdeutschland mit ihrem
Bundeskanzler Konrad Adenauer, der eine gegen die Linke restaurative Politik
betrieb und dabei auf die alten Machteliten aus der NS-Zeit setzte. Deshalb
konnte es auch kein einfaches „Pro oder Contra Deutschland“ geben. Die
Kommunisten setzten ihre Hoffnungen auf ein geeintes Nachkriegsdeutschland,
das, wenn es schon keinen sozialistischen Weg ging, wenigstens neutral und
demilitarisiert blieb.
Die
Niederlage von Hoffmann und Kirn bei der Volksabstimmung 1955 bedeutete daher
keinen Sieg für die Saar-Kommunisten. Ihr Hauptziel, nämlich die Option auf ein
geeintes Deutschland, blieb zwar gewahrt, wurde aber vor dem Hintergrund der
Rollback-Politik negiert. Die großen Saarparteien CVP und SPS wurden als
Ergebnis des Referendums innerhalb kürzester Zeit durch die sogenannten
„pro-deutschen Parteien“ CDU und SPD marginalisiert. Großer Aufsteiger war die
Demokratische Partei Saar (DPS), später FDP, unter ihrem Vorsitzenden Heinrich
Schneider.
Schon
am 24. Oktober, einen Tag nach dem Rücktritt der Regierung von Johannes
Hoffmann, gehörten dem Kabinett des Übergangs-Ministerpräsidenten Heinrich
Welsch keine Nazigegner mehr an. Ganz im Gegenteil. Eine einstige Mitgliedschaft
in der NSDAP förderte jetzt politische Karrieren. Welsch selbst war bis 1935
Leiter der Gestapostelle in Trier und als „Spezialist“ zuständig für die
Verfolgung von Hitlergegnern und ihre entsprechende „Behandlung“.
Auszug
aus: Patric Bies: Kein Stadtteil für Hermann Röchling. Eine
Nahaufnahme. Veröffentlicht in: Gerhard Bungert (Hrsg.): Straßen im
Saarland, Nationalisten
und Militaristen als Namensgeber. Saarbrücken 2014, Seiten 90ff.
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e) kleinere Parteien und Gruppierungen
Arbeiter- und Bauernpartei Saar - sie war linksgerichtet, kämpfte aber für das Saarstatut.
CSU-Saar: Sie hatte sich
Mitte der 50er-Jahre ohne Mitwirkung und Billigung der bayrischen CSU
im Saarland gebildet, blieb eine unbedeutende Splitterpartei
und erreichte bei der Landtagswahl 1955 nur 0,6 Prozent.
1957 vereinigte sie sich mit der CVP, und diese 1959 mit der CDU. Die CSU-Saar war für die Annahme des Saarstatus.
DDU - Deutsche Demokratische Union: eine linksgerichtete kleine Splitterpartei im Saarland; Nein zum Statut
DSB (Deutscher Saar-Bund): war keine Partei; von der BRD aus tätig, Sitz in Frankfurt/Main; kämpfte
für die Annahme des Saarstatuts.
DV oder DVP: Im Oktober 1952 gründete sich die Deutsche Volkspartei und wurde am 7.11.1952 registriert. Bei der gut drei Wochen danach stattgefundenen Landtagswahl (am 30.11.1952) erreichte sie 3,4
%. Wegen der erstmals eingeführten 5%-Klausel erhielt
sie keine Sitze im Landtag. Sie löste sich 1955 auf und fusionierte mit der
damals wiedergegründeten DPS.
Europa-Bewegung des Saarlandes - war keine Partei, unterstützte aber die Annahme des Saarstatuts
EU - europäischen
Organisation; wurde wie die NEI laut Verfügung der Regierung hinsichtlich der Benutzung
von Plakatwänden wie eine politische Parten betrachtet.
FDP Saar (Freie Deutsche Partei Saar) - liberal, hatte aber keine Verbindung zur bundesdeutschen FDP
NEI - siehe unter EU
UAPS (Unabhängige
Arbeiterpartei Saar)
ÜEVPS (Übernationale Europäische Volkspartei Saar) - nahm 1955 an den Landtagswahlen teil und erhielt 0,4% der gültigen Stimmen.
f) MLS, später MRS
Neben den Parteien gab es als politische Bewegung das am 25. März 1945 von Exilsaarländern in Paris gegründete MLS (Mouvement pour la Libération de la Sarre - Bewegung für die Befreiung
der Saar). Es wurde ab etwa Juli 1945 im Saarland
aktiv. Etwa Ende 1945 benannte man es um in MRS (Mouvement pour le Rattachement de la Sarre à la France - Bewegung für den Anschluss der Saar an Frankreich).
Das MLS bzw. MRS trat für die völlige Einverleibung
der Saar durch Frankreich ein. Eine solche vollständige
Eingliederung, die möglicherweise ursprünglich auch von verschiedenen
französischen Politikern angedacht war, stieß bei den Alliierten,
besonders bei den Russen und den Amerikanern, auf heftigen Widerstand.
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Literaturhinweis:
Becker, Winfried. Die Entwicklung der politischen Parteien im Saarland 1945 bis 1955 nach französischen Quellen.
In: Hudemann, Rainer, Poidevin, Raymond (Hrsg.). Die Saar 1945–1955.
Ein Problem der europäischen Geschichte. München, 1992. Seiten 253–296.
> zu unserer Seite Geschichtlicher Überblick (Tabellarische Übersicht über die wichtigsten politischen Ereignisse im Saarstaat)
Diese Seite wurde begonnen am 13. August 2008 und zuletzt bearbeitet am 12.8.2020
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