Nach Ende des Zweiten
Weltkrieges war unsere Heimat zunächst von den Amerikanern besetzt, die dann
Mitte Juli 1945 abgezogen und durch französische Besatzung ersetzt wurden.
Dabei wurde der Restkreis Wadern, der vor und während des Krieges zum
Regierungsbezirk Trier gehörte, dem Saargebiet zugeteilt. Mein Heimatdorf
Weiskirchen wurde zum Grenzort. Am Ortsausgang Richtung Zerf/Trier wurde die
Zollstation mit einer Barriere eingerichtet, die bis zum 6. Juli 1959 (Tag X),
dem Tag der Rückgliederung des Saargebietes an Deutschland, hier als
Grenzposten verblieb.
Zollstation Weiskirchen (Foto: Josef Hinterholz, Bildrechte: Gemeinde Weiskirchen)
Doch, wo eine Grenze ist, da
sind auch Schmuggler in der Regel nicht weit entfernt. So wurde denn auch in
unserer Gegend in den Jahren von 1945 bis zur Aufhebung der Grenze im Jahre
1959 vornehmlich im kleinen, sicher aber auch im größeren Stil geschmuggelt.
Dabei ist mir eine Geschichte in lebendiger Erinnerung geblieben, brachte sie
doch eine ziemlich große Aufregung in unsere Familie.
Es war am Dreikönigstag,
dem 6. Januar 1947, der damals noch ein kirchlich gebotener Feiertag war. Ich war damals 11 Jahre alt
und kam am späten Nachmittag von einer weihnachtlichen Feier, die in einem der
dörflichen Gasthäuser stattfand, nach Hause zurück. Dort waren meine Eltern in
großer Aufregung und Sorge. Die gleiche Aufregung herrschte auch in den
Familien der Geschwister meines Vaters. Der Zollbeamte hatte am Nachmittag
meinen Großvater, unseren Geliebten "Pat", wie wir Enkelkinder ihn nannten, im
Wald festgenommen, weil sie ihn angeblich "in flagranti" beim Schmuggeln
ertappt hatten.
Was war geschehen?
Mein Großvater, damals 70
Jahre alt, war Zeit seines Lebens ein Waldgänger, d.h., er liebte unseren Wald
als unerschöpfliche Kraftquelle, was er gerade in seinem Rentenalter bei
täglichen Waldspaziergängen reichlich auskostete. Diese seine große Liebe zum Wald hatte er auch mir, wie wohl keinem anderen seiner Nachkommen, vererbt.
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Auch ich habe Zeit meines Lebens bei unzähligen Waldspaziergängen immer wieder Kraft getankt. Kraft, die ich brauchte, um die großen und kleinen Blessuren desLebens durchzustehen. Doch an diesem 6. Januar 1947 wurde meinem Großvater
seine große Waldliebe zum Verhängnis. Bei seinem Waldspaziergang entdeckte er
irgendwo im Wald versteckt einige Kartons. Die ganz natürliche Neugier trieb ihn wohl dazu, sich an den Kartons zu schaffen zu machen, um deren Inhalt zu erkunden.
Dabei wurde er von zwei
Zollbeamten gestellt und auf die Zollstation abgeführt, wo er dann einem
gnadenlosen Kreuzverhör ausgesetzt wurde. Es ist anzunehmen, dass die Zöllner
die Kartons bereits entdeckt hatten und nun in einem Hinterhalt auf die
Schmuggler warteten, um sie so zu überführen.
Dass sie in ihrem Übereifer
und vermeintlichen Erfolg einen ahnungslosen Spaziergänger gestellt und
festgenommen hatten, stellte sich jedoch erst später heraus, als sie nach
einigen Stunden Verhör feststellen mussten, dass der alte Mann wirklich
ahnungslos war und sie nicht zu den wahren Tätern führen konnte.
Doch bis dahin gab es in
unseren Familien große Aufregung und Sorge. Mein Onkel Friedel, der jüngste
Sohn meines Großvaters, war mit auf der Zollstation und hat dort Himmel und
Hölle in Bewegung gesetzt, um die Zollbeamten von der Unschuld unseres
Großvaters zu überzeugen.
Am späten Abend war es dann soweit. Die Zollbeamten mussten meinen Großvater nach Hause gehen lassen, weil sie ihm nichts nachweisen konnten.
Die Freude in unseren
Familien war natürlich groß, vor allem bei uns Enkelkindern.
Über die wahren Täter gab es
dann zwar Gerüchte, bei denen auch Namen genannt wurden, doch ich war ja noch
ein Kind und viel zu jung, um mich für den weiteren Verlauf der Geschichte zu
interessieren. Für mich war damals nur wichtig, dass mein Pat wieder frei und
ihm nichts Schlimmes passiert war. Ich erinnere mich hauptsächlich noch an die
große Aufregung und Sorge in unseren Familien und an die Tränen, die wir
Enkelkinder um unseren geliebten Großvater damals weinten.
In den Kartons waren übrigens
Kunstdär me, wer immer die auch damals gebraucht haben mag. Ob die wirklichen
Täter gefasst und bestraft wurden, entzieht sich meiner Kenntnis.
Seine geliebten Spaziergänge
hat mein Großvater natürlich nach dieser Affäre nicht aufgegeben. Dazu hätte
ihm doch noch etwas viel Schlimmeres passieren müssen.
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