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Die politischen Parteien im Saarland 1945-59

 

 

 Texte von Stefan Haas, Patric Bies und Rainer Freyer

 


 

1) Die Entstehung politischer Parteien im Saarland nach dem 2. Weltkrieg

 

Nachdem die Franzosen im Juli 1945 die Besetzung des Saargebiets von den Amerikanern übernommen hatten, hätten einige ihrer Politiker das Land gerne vollständig an Frankreich angeschlossen. Diese Bestrebungen scheiterten aber sehr bald am Widerstand der drei übrigen Besatzungsmächte USA, Großbritannien und Sowjetunion. Ein wirtschaftlicher Anschluss wurde von diesen dagegen toleriert, und er wurde schon im Laufe des Jahres 1946 faktisch umgesetzt. Um ihn zu "legalisieren", waren die französischen Besatzer auf die Mitarbeit und das Engagement geeigneter einheimischer Männer angewiesen, die sie dabei unterstützen konnten und wollten.

 

Sie fanden sie unter ehemaligen KZ-Häftlingen, Widerstandskämpfern aus der Kriegszeit und heimgekehrten Emigranten wie Johannes Hoffmann (JoHo), der 1940 nach Brasilien ins Exil gegangen war. Ihn machten sie zum saarländischen Repräsentanten ihrer Politik. Mit JoHo und Männern wie Edgar Hektor, Emil Straus, Erwin Müller, Richard Kirn und Heinz Braun betrieben sie bereits Anfang 1946 die Gründung von politischen Parteien, die bereit waren, die politischen Ziele Frankreichs im Saarland zu unterstützen und mitzutragen. Diese bestanden in der Hauptsache in der Abtrennung des Saarlandes vom übrigen Deutschland und in seiner wirtschaftlichen Vereinigung mit Frankreich. Dadurch wollten sie im Rahmen der ihnen nach dem Krieg zustehenden Reparationsleistungen die Kontrolle über die Saar-Hütten und -Kohlengruben ausüben.

 

Bereits 1946 gründeten sich die CVP, die SPS und die DPS (welche anfangs die Ziele der Franzosen ebenfalls unterstützte - siehe unten!) als bürgerliche Parteien, sowie die KPS. Letztere stellte sich zwar vehement gegen jegliche Loslösung der Saar von Deutschland, aber wegen der starken Stellung der Kommunisten im französischen Parlament konnten die Franzosen es sich nicht leisten, sie an der Saar auszuschließen.

Daneben gab es als politische Bewegung noch die MRS - Le Mouvement pour le Rattachement de la Sarre à la France, die keine Partei war, sich aber weiterhin heftig für den vollständigen Anschluss der Saar an Frankreich einsetzte. Aus Vertretern der vier neu gegründeten Parteien und der MRS wurde im Frühjahr 1947 eine Verfassungskommission gebildet. Sie erhielt den Auftrag, den Entwurf einer saarländischen Verfassung zu erarbeiten.

 

Zur ersten Landtagswahl am 5.10.1947 wurden nur die vier genannten Parteien zugelassen. Nach der Wahl bildete die CVP mit der SPS eine Koalitionsregierung im ersten Kabinett Hoffmann. Am 15.12.1947 verabschiedete der neu gewählte Landtag als gesetzgebende Versammlung mit großer Mehrheit die Verfassung. In deren Präambel wurde die Zoll- und Währungsunion mit Frankreich und die politische Trennung von Deutschland zwingend festgeschrieben.

 

In sämtlichen Kabinetten der Regierung Hoffmann gab es entweder eine Koalition zwischen CVP und SPS (1. und 3 Kabinett), oder die CVP regierte alleine (2. und 4. Kabinett). (1) Nach der Volksabstimmung am 23.10.1955 wurde im Januar 1956 die so genannte "Heimatbund-Regierung" gebildet, die sich aus Ministern von CDU, SPD und DPS zusammensetzte.

 

(1) Eine Aufstellung der Mitglieder der vier Kabinette Hoffmanns mit Angaben zu ihrer Parteizugehörigkeit finden Sie in unserer Tabelle unten auf der Seite Geschichtlicher Überblick.

 

 Übersicht über die zwischen 1945 und 1959 im Saarland tätigen Parteien und Gruppierungen

 

  

Abk.

 Name der Partei oder Gruppierung

 Vorsitzender

 Gründung am

 Zeitung/ Organ/

Sonderblatt  

Stellung

zum

Saar-

statut

Entwicklung

nach der Volks-

befragung

1955

 Die Regierungsparteien:

CVP

 Christliche Volkspartei des Saarlandes

 Johannes Hoffmann

10.1.1946

 "SVZ" *),

 "Wir sagen Ja!"

JA

1959 in der CDU aufgegangen

SPS

 Sozialdemokratische Partei des Saarld.

 Richard Kirn

im Oktober 1945 inoffziell;

6.1.1946 offiziell

 "Volksstimme",

 "Unter der Lupe"

JA

1956 mit DSP

--> SPD-Saar

 Die "pro-deutschen" Parteien (sie schlossen sich am 3. September 1955 zum Heimatbund zusammen):

 

 

CDU-

Saar

 Christlich-Demokratische Union Saar

 Hubert Ney

1952 inoffiziell

7.8.1955 offiziell

 "NN" *),

 "Im Kreuzfeuer"

NEIN

blieb CDU-Saar

DSP

 Deutsche Sozialdemokratische Partei

 Kurt Conrad

24.2.1952 inoffiz.

25.7.1955 offiziell

 "AZ" *),

 "Die Wespe"

NEIN

1956 mit SPS

--> SPD-Saar

DPS

 Demokratische Partei Saar

 Heinrich Schneider

26.10.46 als DVS

28.2.47 als DPS

 "Deutsche Saar"

NEIN

-->  FDP/DPS

 Andere Parteien:

  

 

 

KPS

 Kommunistische Partei des Saarlandes

 Fritz Nickolay, ab

 1950 Fritz Bäsel

13.12.1945       

 "Neue Zeit"

NEIN

wurde am 9.4. 1957 verboten

DDU

 Deutsche Demokratische Union  (linksgerichtet)

  ?

28. 9.1955

 "Nein zu jedem     Saarstatut"

NEIN

ab 1961: DFU, Landsverbd Saar

FDP/

Saar

 Freie Deutsche Partei

 (liberal, aber nicht zu verwechseln mit der Bundes-FDP  =  Freie  Demokratische Partei)

  ?

3.9.1955

--

JA, aber NEIN zur Regierung

--

CSU-

Saar

 Christlich-Soziale Union (Splitterpartei; ohne   Mitwirkg. und Billigung der bayrischen CSU gegründet)

Carl Friedrich Eckert

22.9.1955

--

JA

1957 mit der CVP vereinigt

 Sonstige Gruppierungen  (die aber keine Parteien waren): 

  

 

MRS

 Mouvement pour le Rattachement de la  Sarre à la France  (mehr dazu ganz unten in 2f)

 Friedrich Pfordt,

 Dr. Sender

Frühjahr 1945  

"Die Neue Saar"

--

--

DSB

 Deutscher Saarbund e.V.,

 (von der BRD aus tätig, Sitz in Frankfurt/Main)

 

 

"Deutsche Saar-

      Zeitung"

JA

--

 

 andere, kleinere Gruppierungen

siehe unter 2g)        

            Europa-Bewegung des Saarlandes

                (setzte sich mit Hilfe von z. T. großformatigen Zeitungsanzeigen und anderen Druckwerken für die Annahme des Saarstatuts ein.)

JA

--

 

 *) Abkürzungen von Zeitungsnamen: SVZ = Saarländische Volkszeitung; AZ = Allgemeine Zeitung; NN = Neueste Nachrichten 


 

 

2) Die Entwicklung der einzelnen Parteien und Gruppierungen

 

Inhalt:   a) CVP und CDU-Saar     b) DPS    c) SPS und DSP    d) KPS    e) kleinere Parteien und Gruppen    f) MLS und MRS

 


a) Christliche Parteien: CVP (Christliche Volkspartei)  und CDU-Saar  (Christlich Demokratische Union Saar)

   

Von 1946 bis 1952 war die Christliche Volks-Partei (CVP) die einzige christliche Partei im Saarland. Nach dem Entstehen der CDU-Saar mussten sich die beiden Parteien mit der Spaltung des christlichen Lagers ausein- andersetzen, die bis zur Verschmelzung beider Parteien im Jahre 1959 bestand. Dabei nahmen beide für sich in Anspruch, ihre politischen Zielvorstellungen aus der Überzeugung des Christentums abzuleiten, und dies hat die Auseinandersetzungen an der Saar vor, während und nach der Volksabstimmung geprägt und verschärft.

 

 

Die Anfänge der CDU im Saarland

 

Innerhalb der CVP hatte sich in den ersten Jahren des Hoffmann-Regimes eine innerparteiliche Opposition herausgebildet, die mit dem Vorantreiben des wirtschaftlichen Anschlusses und der politischen Autonomie des Saarlands durch Johannes Hoffmann unzufrieden war. Aus dieser Opposition formierte sich 1952 ein Gründungsausschuss, der am 6. Februar 1952 den Antrag auf Zulassung der Christlich Demokratischen Union-Saar stellte. Zunächst musste aber noch ein neues Parteiengesetz geschaffen werden, das die Zulassung weiterer Parteien im Saarland ermöglichen sollte. Es wurde zwar bereits im März 1952 durch den Landtag verabschiedet, seine Verkündung hat die Regierung aber hinausgezögert, so dass der Gründungsausschus erst am 4. Juni 1952 zu seiner ersten konstituierenden Sitzung zusammentreten konnte.


244 Gründungsmitglieder leisteten (im Langwiedstift zu Saarbrücken) die laut Parteiengesetz für die Zulassung einer neuen Partei notwendigen Unterschriften. Diese Gruppe setzte sich mehrheitlich (164) aus Arbeitnehmern zusammen. Der Rechtsanwalt Dr. Hubert Ney aus Saarlouis wurde zum ersten Landesvorsitzenden gewählt und Karl Walz, Gewerkschaftssekretär aus Saarbrücken, zu seinem Stellvertreter. Beide waren ehemalige Mitglieder der CVP, die gegen den Kurs der Regierung opponiert hatten, und von denen der eine deswegen freiwillig aus der Partei ausschied und der andere ausgeschlossen wurde.

 

Durch die Regierung geschickt in die Länge gezogene weitere Verhandlungen und Auseinandersetzungen um die Zulassung der CDU-Saar führten dazu, dass diese es nicht mehr schaffte, an der Landtagswahl im Oktober 1952 teilzunehmen, die ebenso geschickt kurzfristig terminiert worden war. Hintergrund für die Verzögerungen war stets die Forderung, dass sich die um Zulassung strebende Patei zur saarländischen Autonomie bekennen sollte, wie es in der Verfassung festgeschrieben stand. Da die CDU dieses Bekenntnis - natürlich - nicht ablegen wollte, hatte die Regierung einen guten Vorwand, ihr die Zulassung zu verweigern. Deshalb war die CDU-Saar von Beginn an als Partei illegal, und dieser Status sollte bis zur endgültigen Zulassung aller pro-deutschen Parteien im Jahre 1955 fortdauern. Die Auseinandersetzungen um die Zulassung der CDU-Saar war der Ursprung des vergifteten Klimas innerhalb der christlichen Parteien, was dazu führte, dass die politische Gegnerschaft zwischen ihnen von persönlichen Feindschaften geprägt war.


Das Bild oben zeigt das Abzeichen der CVP  (Nachlass Minister Erwin Müller; Foto: Jan Müller, Saarbrücken)

 

Erst als im Saarabkommen vom 24. Oktober 1954 die Voraussetzungen für die offizielle Zulassung derjenigen Parteien geschaffen wurde, die für die Eingliederung des Saarlandes in die Bundesrepublik eintraten, konnte sich die CDU-Saar endlich als offizielle Partei gründen. Am 7. August 1955 fand man sich im Johannishof in Saarbrücken zusammen, um Dr. Hubert Ney, der die Partei ja schon während der Zeit der Illegalität geführt hatte, zum Landesvorsitzenden zu wählen. Als Ehrenvorsitzender wurde der 1948 aus dem Saarland ausgewiesene Pfarrer Bungarten ernannt. Schon zu diesem Zeitpunkt zeigte sich die enge Verbundenheit zu den anderen pro-deutschen Parteien, denn die Vorsitzenden von DPS und DSP, Heinrich Schneider und Kurt Conrad, konnten an die anwesenden 600 Delegierten ihre Grußworte richten. Folgender Satz aus einem der ersten Aufrufe der CDU-Saar an ihre Mitglieder zeigte ganz deutlich das Verhältnis zu der anderen christlichen Partei (CVP) auf

und legte die Marschroute zur Volksabstimmung fest:

 

"Der Weg nach Europa führt nicht über die Verleugnung des Vaterlandes - deshalb: Kein Europa ohne Vaterland!"

 

 

Die CDU-Saar und das Europäische Statut

 

Das große Problem der CDU-Saar hinsichtlich des Saar-Statuts bestand darin, dass sie es als pro-deutsche Partei ablehnte, während die Bundes-CDU um Konrad Adenauer es jedoch befürwortete; denn dieser hatte es ja mit der französischen Regierung ausgehandelt. Somit sah sich die Saar-CDU ständig zur Legitimation ihrer Haltung gezwungen. Sie musste ferner dafür sorgen, dass ihre politischen Gegner aus der CVP nicht als Partner Konrad Adenauers auftreten konnten. Entscheidend begründet wurde die Ablehnung des Europäischen Statuts von den saarländischen Christdemokraten durch die christliche Pflicht zur Vaterlandsliebe und -treue. Diese Treue zum Vaterland wurde als absoluter Wert angeführt und Hörern und Lesern politischer Agitationen oftmals als "Gewissensfrage" dargestellt.

  

 

Die Auseinandersetzung zwischen CDU-Saar und CVP zur Zeit des Abstimmungskampfes

 

Am 5. September 1955 schlossen sich die drei pro-deutschen Parteien CDU-Saar, DPS und DSP zum "Deutschen Heimatbund" zusammen. Ihr politisches Ziel war es, die Ablehnung des Saar-Statuts zu erreichen. Dies gelang den drei Parteien dadurch, dass sie es schafften, in ihrem Abstimmungskampf den Saarländerinnen und Saarländern zu suggerieren, dass sie mit ihrem Votum auch über das Schicksal der Regierung Hoffmann und seiner CVP entscheiden würden. In diesem Sinn sprachen Hubert Ney und Heinrich Schneider unentwegt von "der Abrechnung mit dem separatistischen Joho-Regime" und von dem Ziel, "die Macht der herrschenden Parteidiktatur zu beenden". Außerdem gelang es ihnen, den Eindruck zu erwecken, als gehe es bei der Volksbefragung nicht um die Annahme oder Ablehnung des Europäischen Statuts, sondern um ein Ja oder Nein zur Wiedervereinigung des Saarlands mit Deutschland. Somit trug das eine christliche Lager (Saar-CDU) durch Agitationen auf emotionaler Ebene gegen die politischen Ziele des anderen christlichen Lagers (CVP) zur unversöhnlichen Auseinandersetzung beider Lager bei.


Im Verlauf des Abstimmungskampfes wurde immer deutlicher, dass die CVP der Emotionskampagne der Heimatbundparteien, und insbesondere der Saar-CDU, nichts Vergleichbares entgegensetzen konnte. Zudem war die regierende CVP durch ihr langjähriges Machtmonopol an öffentliche Kritik und Opposition nicht mehr gewohnt und zu wenig flexibel, um der polemischen Agitation der Gegner wirkungsvoll entgegenzutreten.

 

 

Nach der Volksbefragung

 

Unmittelbar nach der Volksbefragung forderte der Trierer Bischof  Dr. Wehr die beiden christlichen Parteien auf, eine Einigung herbeizuführen. Eine geplante schnelle Einigung von CVP und CDU-Saar wurde im April 1956 durch den CVP-Vorstand verhindert, weil die CVP-Unterhändler Beratungen mit CDU-Vertretern ohne Rückendeckung ihrer Partei aufgenommen hatten. Die Verhandlungen gingen aber unter der neuen CDU-Führung (Egon Reinert und Franz-Josef Röder) weiter. Anders als bei den beiden sozialdemokratischen Parteien SPS und DSP vollzog sich die Vereinigung der beiden christlichen Parteien aber nur schleppend und unter Vorbehalt vieler Politiker, da sich doch viele Unversöhnlichkeiten und gar Feindseligkeiten auftaten und erst einmal überwunden werden mussten.

 

Im Februar 1959 trat die CVP mit ihrem Minister Schnur in eine CDU/SPD/CVP-Regierung ein. Auf lokaler Ebene hatten sich CDU und CVP schon vorher an vielen Orten zusammengeschlossen. Im April 1959 gab Johannes Hoffmann als Ehrenvorsitzender der CVP auf dem 12. Parteitag der CVP seinen Parteifreunden die Empfehlung, die CVP aufzulösen und der CDU beizutreten.

 

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Literaturhinweise:

- Bauer, Gerhard: Die CDU im Saarland. Saarbrücken 1981.

- Repgen, Konrad: Die Saar-Frage im Bundesparteivorstand der Christlich Demokratischen Union Deutschlands 1950-1955. Über die   Verschränkung von Innen- und Außenpolitischem in der Politik Konrad Adenauers. In: Altermatt / Garamvölgy (Hrsg.).: Innen- und   Außenpolitik: Primat oder Interdependenz? Festschrift zum 60. Geburstag von Walther Hofer. Stuttgart, 1980. S. 87-123.

- Freymond, Jacques. Die Saar 1945-1955. München 1961.

 

 

b) DPS - Demokratische Partei Saar

  

Übersicht

 

Am 28. Februar 1947 wurde die seit dem 26. Oktober 1946 bestehende DVS ("Demokratische Vereinigung des Saarlandes") in "Demokra- tische Partei des Saarlandes" (DPS) umbenannt. Während ihr Parteiprogramm anfangs den Wünschen der Besatzungsmacht entsprochen hatte, begann sie bald damit, gegen Frankreich Propaganda zu machen. Deswegen wurde sie auf eine Aufforderung der Franzosen hin von der Saar-Regierung am 21. Mai 1951 verboten. Als Begründung hieß es, die Partei sei verfassungswidrig, weil sie "insbesondere den wirtschaftlichen Anschluß der Saar an Frankreich und die politische Unabhängigkeit des Saarlandes von Deutschland ablehne". Nach der Zulassung pro-westdeutscher Parteien wurde die DPS am 5. 5.1955 wiedergegründet.

 

Nach dem Beitritt des Saarlandes als Bundesland zur Bundesrepublik Deutschland schloss sich die DPS am 11. August 1957 als saarländischer Landesverband der FDP an. Der Name dieses Verbandes lautet heute noch korrekt "FDP/DPS", satzungsgemäß wird aber nur noch die Bezeichnung "FDP" verwendet.

 

Welche Rolle spielte die DPS im teilautonomen Saarland? Betrachten wir zunächst die Ideologie der Partei. Ihr Programm kann in drei Phasen aufgeteilt werden:

 

1945-1950: liberal,

 

1950-1957: national-konservativ,

 

ab 1957: Versuch der Anpassung der weltanschaulichen Ausrichtung, beruhend auf spezifisch saarländischen Verhältnissen, an die westdeutsche FDP. 

 

 

Gründung, historische Tradition, Entwicklungsgeschichte

 

Die am 26. Oktober 1946 als "Demokratische Vereinigung des Saarlandes" (DVS) zugelassene und am 28. Februar 1947 in "Demokratische Partei des Saarlandes" (DPS) umbenannte Partei stand in der Tradition der national- liberalen "Deutsch-Saarländischen Volkspartei" (DSVP; sie war 1933 in der von den Nazis gesteuerten "Deutschen Front" aufgegangen).

 

Die Personengruppe, die sich 1945/46 um die Zulassung einer liberalen Partei im Saarland bemühte, stand auf dem Standpunkt, dass die Saar ein Bestandteil Deutschlands war. Dieser Einstellung konnte die damalige französische Besatzungsmacht allerdings nicht zustimmen. Dem musste man sich fügen, und man akzeptierte zunächst den wirtschaftlichen Anschluss des Saarlandes an Frankreich und seine politische Trennung von Deutschland, um im Gegenzug dafür die Lizenz zu bekommen.

 

Die entscheidende Wendung in der Entwicklung der DPS wurde Anfang 1950 durch den Eintritt von Heinrich Schneider (Bild links), Richard Becker (Bild rechts), Paul Simonis und einigen anderen in die Partei eingeleitet. Da an die Gründung einer eigenständigen oppositionellen Partei nicht zu denken war, wollten sie die DPS im Sinne einer "deutsch ausgerichteten Opposition" unterwandern und umkrempeln, legitimiert durch die ursprünglichen Ziele und Grundsätze bei der Gründung der Partei und vor dem Hintergrund, dass die DPS bislang noch keine konstituierende Mitgliederversammlung durchgeführt hatte.

Die "Becker-Schneider-Richtung" verdrängte somit innerhalb der Partei diejenigen, die den frankophilen Kurs tolerierten, und es wurde ein neuer Parteivorstand mit Richard Becker als Vorsitzendem und Heinrich Schneider als Beisitzer gewählt. Letzterer hielt sich, obwohl er als Motor der Partei galt, zunächst gerne im Hintergrund.

 

Doch es ging der neuen Führung nur vordergründig darum, die fallengelassene nationale Komponente von 1947 wieder aufzugreifen. Vielmehr lag ihre Absicht darin, die DPS zum Sammelbecken aller nationalen Kräfte an der Saar zu machen und den Namen "DPS" nur aus lizenzrechtlichen Gründen weiterzuführen.

 

Die regierende CVP um den Ministerpräsidenten Hoffmann erkannte sehr schnell die heranwachsende Konkurrenz und versuchte zunächst durch ein Verbot DPS-interner Rundschreiben die öffentliche Verbreitung von Zielen und Vorstellungen der Partei zu verhindern. Man ging davon aus, dass die DPS sich dieser Rundschreiben zur "Verbreitung pro-deutschen Gedankenguts" bediente, da sie noch nicht über eine Parteizeitung verfügte, die man hätte zensieren oder verbieten können.

 

Eine Großkundgebung der Partei am 6. Mai 1951 wurde verboten, da man angeblich die öffentliche Ordnung gefährdet sah. Hierauf folgte auch ohne Umwege das Parteiverbot - anhand von hierzu gefälschten Diffamierungen: Es tauchte ein Telegramm auf, welches die DPS in Verbindung mit der in der BRD wieder erstandenen SRP (Sozialistische Reichspartei) bringen und somit in ein neofaschistisches Licht rücken sollte. Heinrich ("Heini") Schneider, dem führenden Kopf der DPS, waren nationalistische Töne im Übrigen nicht fremd; denn vor 1937 war er zeitweise NSDAP-Mitglied gewesen. Obwohl sich das fragliche Telegramm bald als von der Joho-Regierung fingiert herausstellte, wurde am Verbot der Partei festgehalten. Als Begründung diente die Behauptung, dass diese Partei gegen die Verfassung verstoße. Grundlage hierzu war die erste Ausgabe der Parteizeitung, die einen pro-deutschen Vorschlag zur Lösung der Saarfrage brachte - und damit gegen die Präambel der saarländischen Verfassung verstieß, in der der wirtschaftliche Anschluss an Frankreich festgeschrieben war. Hinzu kam die Vorhaltung, die Umformierung der Partei sei auf undemokratische Weise geschehen und diese habe mit der ursprünglich erlaubten Partei nichts mehr zu tun.

 

Das Verbot der DPS kam für das Hoffmann-Regime einem Pyrrhus-Sieg gleich, denn zu offenkundig war seine politische und juristische Unhaltbarkeit.

 

So blieb die DPS geschickt im Hinter- und Untergrund, ließ ihre Absichten nicht mehr klar und offensichtlich erkennen und bediente sich der regelmäßig auftretenden Widersprüche Johannes Hoffmanns in der Saarfrage, um ihn und seine Politik anzugreifen.

 

DPS

Folgende Gewinne zog die DPS aus ihrem Verbot:


Sie hatte die Europa- und Autonomievorstellungen der Hoffmannregierung als idealistische Gedankengebilde entlarvt, die viele für unrealistisch und unrealisierbar hielten.

 

Ihr Verbot dokumentierte die innenpolitische Schwäche und die mangelhafte demokratische Legitimation des saarländischen politischen Systems.

 

Die juristische Auseinandersetzung um das Verbot dauerte mehr als zwei Jahre. In dieser Zeit konnte die DPS sich immer wieder in illegal verbreiteten Schriften äußern und damit ihre Legitimation einfordern.

 

Das Verbot verschaffte der DPS einen "Märtyrernimbus", der es ihr ermöglichte, zum Kern der deutschen Opposition an der Saar zu werden und ihren Einfluss weit über ihre eigentliche liberale Anhängerschaft hinaus auszudehnen.

 

In dieser Zeit der Illegalität versuchte die DPS, von innen und außen Einfluss auf die Entwicklung der Saarpolitik zu nehmen: Sie wollte im Saarland eine Oppositionsbewegung gegen das Hoffmann-Regime organisieren und ließ in der BRD Flugblätter und Broschüren produzieren, die meist illegal ins Saarland geschleust und verbreitet wurden. Sie sollten den Standpunkt der saarländischen Opposition gegenüber Adenauer auf Bundesebene vertreten.

 

Als den bislang verbotenen oder gar nicht erst zugelassenen pro-deutschen Parteien im Juli 1955 (drei Monate vor der Volksbefragung) die Teilnahme am Abstimmungskampf gestattet wurde, schlossen sich alle nicht-kommunistischen und pro-deutschen Parteien im Heimatbund zusammen, um gegen das von Frankreich und der BRD ausgehandelte Saarstatut Stellung zu beziehen. Die Grundlagen für diese Zusammenarbeit waren schon in der Phase der Illegalität geschaffen worden.

 

Im Heimatbund war die DPS neben CDU-Saar und DSP die führende Kraft, weil sie mit Heinrich Schneider als Vorsitzendem über einen energischen Politiker seiner Zeit verfügte und weil die von vielen Saarländern ersehnte Rückgliederung der Saar an Deutschland das zentrale programmatische Ziel der DPS war.

 

Durch die Agitation der DPS bekam die Volksabstimmung am 23. Oktober 1955 einen ganz anderen Sinn, als ihr eigentlich zugedacht war. Aus der Abstimmung über das Statut, dessen Ablehnung zunächst nur die Wahrung des Status quo bedeutet hätte, machten die Heimatbund- Parteien eine Abstimmung über die Frage, ob das Saarland zu Deutschland zurückkehren sollte oder nicht. Nach dem Sieg des Nein zog die Politik die Konsequenz, dass die politische Trennung des Saarlandes von Deutschland nicht mehr länger aufrecht erhalten werden könne. Dadurch wurde die Bedeutung, die die Heimatbundparteien der Abstimmung im Vorfeld gegeben hatten, bestätigt.

 

Das Abstimmungsergebnis zahlte sich natürlich auch parteipolitisch für die DPS aus, denn sie wurde bei der Landtagswahl von 1955 mit 24,2 % der Stimmen hinter der Saar-CDU (25,4%) zweitstärkste Partei. In der Folgezeit war die Partei bestrebt, dieses gute Ergebnis zu wahren, und brachte sich mit mehreren Vorschlägen zur gesamtdeutschen Wiedervereinigung - vom Modellfall der Saar ausgehend - auf Bundesebene ein.

 

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Literaturhinweise:

 

Stöss, Richard (Hrsg.). Parteienhandbuch. Die Parteien der Bundesrepublik Deutschland 1945-80. Band 2:    CSU-DSU. Opladen, 1983.

Schneider, Heinrich: Das Wunder an der Saar. Stuttgart 1974.                          

  

< Foto der DPS-Fahne: Volker Felten

 

Auf unserer Seite "Zeitungen" finden Sie ganz unten einen interessanten Artikel von Heinrich Schneider aus der "Deutschen Saar" über die "Gefahren des Saarstatuts".

 

 

c) Der schwierige Weg der Sozialdemokratie im teilautonomen Saarland:

 

SPS - Sozialdemokratische Partei des Saarlandes  und  DSP - Deutsche Sozialdemokratische Partei

 

Vorgeschichte:

 

Von vornherein gilt es zu bemerken, dass die Geschichte der Sozialdemokratie in ihren Anfängen nicht nur im Saarland, sondern auch in der angrenzenden Pfalz, wohl gar im ganzen Südwesten Deutschlands, eine sehr wechselvolle war. Vor dem ersten Weltkrieg, zur Zeit des Deutschen Reiches, galt die Saargegend zwar als drittgrößtes Schwerindustrierevier nach dem Ruhrgebiet und Oberschlesien, doch der patriarchalische Führungsstil der privatkapitalistischen saarländischen Unternehmen im Stummschen und Röchlingschen Sinn - ihre Unternehmenspolitik war gleichzeitig Sozialpolitik - ließ eine organisierte Sozialdemokratie nur sehr schwer aufkommen. Zentrum und Nationalliberale bestimmten das parteipolitische Leben. Die SPD konnte im Saarland auch deshalb nicht Fuß fassen, weil die Berg- und Hüttenarbeiter im 19. Jahrhundert zu einer konservativen Haltung gewissermaßen erzogen wurden, denn sie hatten wegen der isolierten Lage der Industriedistrikte die Stellung von gewohnheitsrechtlich bevorzugten Knappen. Die Arbeiter wurden durch Privilegien an die bestehende Ordnung gebunden und durch die Tatsache, dass sie in der näheren Umgebung keine Wahl eines anderen Beschäftigungsverhältnisses hatten. Dies hat Auswirkungen bis in die heutige Zeit.

 

Der Zusammenbruch des Kaiserreichs zum Ende des Ersten Weltkriegs war zwar zugleich auch das Ende des "Königreichs Stumms", aber die danach aufkeimende strukturierte Sozialdemokratie wurde schon bald wieder vom nächsten System, diesmal dem faschistischen System der Nazis, unterdrückt.

 

 

I) Die Sozialdemokratische Partei des Saarlandes (SPS)

 

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde dann im Hinterzimmer einer Saarbrücker Gaststätte Ende Oktober 1945 die SPS inoffiziell gegründet. Offiziell nannte man sich ab Januar 1946 Sozialdemokratische Partei, Bezirk Saar. Diese Abtrennung von der deutschen Mutterpartei erfolgte unter französischem Druck in Hinsicht auf die Gewährung der Zulassung. Diese Trennung führte aber nicht zur Verabschiedung eines eigenen Programms.

 

Es waren vor allem pragmatische Gründe, die die Führungsgruppe der Sozialdemokratischen Partei der Saar um den Parteivorsitzenden Richard Kirn in der Nachkriegszeit dazu bewogen, unverzüglich für einen wirtschaftlichen Anschluss an Frankreich einzutreten, bei gleichzeitiger politischer Trennung von Deutschland im Sinne einer Autonomie.

 

Dies sollte in der Folgezeit in der SPS zu zahlreichen innerparteilichen Auseinandersetzungen führen. Es gab drei verschiedene Strömungen in der Partei:

 

- Viele aktive Mitglieder gaben sich mit einem wirtschaftlichen Anschluss an Frankreich nicht zufrieden und forderten die völlige Integration in den französischen Staat.

 

- Dem gegenüber gab es in einem anderen Lager viele, die eher zur Bundesrepublik tendierten und die "separatistischen Implikationen" in der Partei verurteilten.

 

- Und schließlich gab es diejenigen, die für eine Autonomie des Saarlandes eintraten.

Bei den Landtagswahlen kam die SPS nie aus dem Schatten der regierenden CVP um Johannes Hoffmann heraus. Im ersten Kabinett Hoffmann (ab 1947) war sie durch den Minister für Arbeit und Wohlfahrt Richard Kirn sowie den Minister für Justiz Heinz Braun bis April 1951 vertreten. Danach folgte während des zweiten Kabinetts Hoffmann der Gang in die Opposition, bis im dritten Kabinett Hoffmann die beiden Minister vom 23. 12. 1952 bis zum 17. Juli 1954 ihre Plätze wieder einnahmen. Am 17. Juli 1954 zerbrach die Koalition mit der CVP an innenpolitischen Auseinandersetzungen über das Betriebsverfassungsgesetz.

 

 

Saarpolitisch blieb die SPS jedoch bei ihren Positionen. Was sie mit der CVP einte, war die übergeordnete Europaideologie, vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht. Und so kämpfte sie auch bei der Volksabstimmung 1955 Seite an Seite mit der CVP für die Annahme des Saarstatuts.     

 

Zusammenfassend ist zu sagen, dass keine Partei an der Saar zwischen 1945 und 1955 so langen und erbitterten innerparteilichen Auseinandersetzungen ausgesetzt war wie die SPS. Zu den Richtungsstreitigkeiten trugen die Anhänger des MRS (Mouvement pour le rattachement de la Sarre à la France), der Autonomisten und der pro-deutschen Opposition bei.


Aus der letztgenannten pro-deutschen Opposition heraus entwickelte sich unter Ernst Roth eine größere, ernst zu nehmende Richtung. Roth wurde aber im Vorstand der SPS total isoliert und schließlich dazu gezwungen, seine Parteiämter aufzugeben. An seine Stelle trat nun der einflussreiche Kurt Conrad, dessen Gruppe 1951 so stark war, dass sie es wagte, Richard Kirn auf einem Parteitag herauszufordern. Conrad kandidierte gegen Kirn um den Vorsitz, und es gab auch einen innerparteilichen Kampf um das Amt des zweiten Vorsitzenden.

 

Diese beiden Versuche scheiterten, doch die Tatsache, dass Kirn nicht mehr wie bisher einstimmig gewählt wurde, legte die Bedrohung und Zerrüttung der Partei offen. Die Zeit spielte für die inner-parteiliche Opposition, denn der pro Deutschland orientierte Flügel befand sich in stetigem Wachstum. In autoritäre Denkstrukturen vergangener Zeiten verfallend, leitete man auch ein Parteiordnungsverfahren gegen Conrad mit dem Ziel des Ausschlusses ein, dem dieser jedoch mit seinem Austritt zuvorkam.

 

Bei der ersten Landtagswahl nach dem Referendum im Dezember 1955 erhielt die SPS nur noch 5,8 % der Stimmen Die logische Konsequenz war die rasch vollzogene Verschmelzung mit der anderen sozialdemokratischen Partei DSP (s.u.) zur SPD-Saar am 18. März 1956. - Bild rechts: SPS-PIN zur Volksabstimmung 1955 (Foto: Aline Edelmann)

 

 

 

 

II) Die Deutsche Sozialdemokratische Partei (DSP)

 

Die Führung der SPS war zweifellos nicht im Unrecht, wenn sie diese innerparteiliche Opposition der Sympathie oder sogar der aktiven Unterstützung der DSP verdächtigte, deren Zulassung am 14. März 1952 beantragt wurde. Zwar wurde die Gründung dieser neuen Partei zunächst (wie bei der Saar-CDU) durch bürokratische Schikanen verzögert, doch der gefährliche Aspekt dieser Aktion überwog den der Bequemlichkeit: Die SPS erging sich in Illusionen über ihre wirkliche Stärke, was sich, wie beschrieben, in der Landtagswahl nach dem Referendum rächte.

 

Der Zulassungsantrag der DSP wurde wurde zwar offiziell nicht zugelassen, operierte aber ähnlich im Untergrund wie die DPS unter Schneider, begann mit einer Kampfansage an die allgemeine Politik: "Die Bevölkerung des Saarlandes besitzt keine nationale Eigenständigkeit und ist Teil des deutschen Volkes." Doch musste die DSP, ebenso wie die anderen pro-deutschen Parteien, bis zum Juli 1955 warten, bis sie ihre Auffassungen offiziell als nunmehr zugelassene Partei im Rahmen des Abstimmungskampfes um das Saarstatut propagieren konnte, was sie, zusammen mit den anderen beiden Heimatbundparteien DPS und CDU-Saar, auch tat.

 

Wie oben beschrieben, fusionierten SPS und DSP 1956 und bildeten gemeinsam die neue Sozialdemokratische Partei, Landesverband Saar (SPD-Saar). Dies geschah einerseits durch Druck der Basis und andererseits des Bonner SPD-Parteivorstandes. Denn sonst drohte angesichts der Wahlergebnisse die saarländische Sozialdemokratie wieder in der Bedeutungslosigkeit zu versinken. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 Auch so wird Saar-Geschichte dokumentiert:

Diese beiden Bilder zeigen Vorder- und Rückseite ein und desselben Messingschildes vor und nach dem 18. März 1956. Es misst 50 x 30 cm und trägt auf der einen Seite den alten Parteinamen "Deutsche Sozialdemokratische Partei" (DSP). Nach dem Namenswechsel (siehe Text oben) wurde - wohl wegen Materialmangels - kein neues Schild angefertigt, sondern einfach der neue Name (SPD) auf der Rückseite eingraviert. Hergestellt wurde das Schild von der Firma Wwe. E. Ernst, Saarbrücken.

(Fotos: www.auktionshaus-goetz.net; das Schild wurde im Juli 2011 dort zum Verkauf angeboten. Wir danken für die Abbildungs-Genehmigung!.

 

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Literaturhinweis:

 

Dingel, Frank.  Die Sozialdemokratische Partei des Saarlandes. In: Richard Stöss (Hrsg.). Parteienhandbuch. Die Parteien der Bundes-

republik Deutschland 1945-1980. Band 4. NDP - WAV. Opladen, 1986.Seiten 2217-2240.

 

 

   

d) KPS - Kommunistische Partei, Landesverband Saar

 

Gastbeitrag von Patric Bies, Peter Imandt Gesellschaft/Rosa Luxemburg Stiftung-Saar

 

Da die französische KP im dortigen Parlament eine ziemlich starke Stellung hatte, sahen sich die Franzosen veranlasst, auch an der Saar eine kommunistische Partei zuzulassen. So wurde hier die KPS schon während der Besatzungszeit der Franzosen lizenziert, nämlich am 13. Februar 1946. Vorsitzender war zunächst Fritz Nickolay, ab 1950 Fritz Bäsel. Das Parteiorgan trug den Namen "Neue Zeit".

 

Die KPS war die einzige zugelassene Partei, die die Abtrennung der Saar von Deutschland und ihre wirtschaftliche Vereinigung mit Frankreich ablehnte. Sie trat am 15. September 1946 bei den Kommunalwahlen an (Ergebnis 9,1 %) und am 5. Oktober 1947 bei den Wahlen zur Verfassunggebenden Versammlung (8,4 %). Ihr bestes Wahlergebnis erlangte sie bei der Landtagswahl 1952, als sie 9,5 % der Stimmen und damit vier Mandate erreichte.

 

Auf unserer Seite "Letzte Saar-Nachrichten" können Sie (unten als vorletzte Meldung vor dem "Atomwetter") eine Polizeiliche Anordnung vom 19. Mai 1950 über das Verbot eines Flugblatts aus dem Verlag des Parteiorgans "Neue Zeit" der KPS lesen.

 

Bei der Volksbefragung 1955 kämpfte die KPS gegen die Annahme des Saarstatuts, allerdings nicht an der Seite des Heimatbundes. Sie wollte die Billigung des Statuts um jeden Preis verhindern, weil die aus ihr resultierende Stärkung der Autonomie des Saarlandes eine Voraussetzung für die Verwirklichung des Schuman-Plans und der Pariser Verträge gewesen wäre. Damit wäre auch eine baldige Aufnahme der Bundesrepublik in die NATO ermöglicht worden, was natürlich nicht im Sinne der Kommunisten gewesen wäre.

 

Die Partei erreichte zwar ihr erstrebtes Ziel bei der Volksbefragung, denn das Saar-Statut wurde abgelehnt. Die wichtigste Folge dieses Ergebnis war der Anschluss des Saarlandes an die Bundesrepublik am 1.1.1957. Aber dieser führte sehr schnell zum Ende der KPS: Da inzwischen in der Bundesrepublik die KPD verboten war (seit 17. August 1956), konnte auch die KPS im neuen Bundesland Saarland nicht weiterbestehen. Das saarländische Innenministerium löste sie am 9. April 1957 auf.

 

Weitere Infos zur Rolle der KP im Saarland finden Sie auf unserer Seite über das gescheiterte Briefbomben-Attentat auf Johannes Hoffmann.

 

Die saarländischen Kommunisten und die Saarfrage

 

Bei der Volksabstimmung am 23. Oktober 1955 über den künftigen Status des Saarlandes ging es um die Frage, ob die Saarbevölkerung dem das Saarland betreffenden Passus in den Pariser Verträgen (also das sogenannte Saarstatut) zustimmt oder nicht.

 

Nach den Vorstellungen von Adenauer und den Westmächten sollten die Pariser Verträge das Besatzungsregime in Westdeutschland offiziell beenden. Neben Fragen zur Souveränität regelte das Vertragswerk auch den Beitritt der Bundesrepublik zur WEU und zur NATO, und es ermöglichte Adenauer, die Wiederbewaffnung einzuleiten.

 

Aber auch die Zukunft des Saarlandes sollte eine Regelung erfahren, wobei alle Unterzeichner davon ausgingen, dass diese an die Seite Frankreichs führen würde und eine Volksabstimmung mehr oder weniger reine Formsache sei. Nicht ohne Grund warfen viele Kritiker Bundeskanzler Adenauer vor, zum Preis der „Westintegration“ das Saarland aufzugeben, denn der angestrebte „Europäische Status des Saarlandes“ erfuhr keine nähere Erklärung, bedeutete aber in jedem Fall die Abtrennung von Deutschland und die Fortsetzung der ökonomischen Verschmelzung mit Frankreich.

 

20 Jahre später trafen nun viele der damaligen Protagonisten erneut aufeinander. Johannes Hoffmann, Christliche Volkspartei (CVP), und Richard Kirn, Sozialdemokratische Partei Saar (SPS), verfochten als gestandene Hitlergegner und Antifaschisten die Idee der Fortführung des Saarstaates.

Die Ablehner scharten sich um die ehemaligen NSDAP-ler, allen voran Heinrich Schneider, denen es mit Un- oder Halbwahrheiten gelang, erfolgreich gegen den Autonomie-Kurs Stimmung zu machen.

 

Und da gab es noch die überschaubare Schar von Kommunisten, die sich seit Gründung des Saarlandes 1947 gegen eine weitere Zersplitterung Deutschlands als Folge des Zweiten Weltkriegs sperrten. In der Überführung der saarländischen Gruben und Hütten in die französische Wirtschaftszone, also in der Auswechslung der deutschen Kapitalisten durch französische, hatten sie schon damals keine Vorteile gesehen. Warum sich fremden Herren ausliefern? Mit den eigenen hatte man ja genug zu tun. Eine Politik, die selbst in Frankreich zahlreiche Unterstützer fand: Die einflussreiche Kommunistische Partei Frankreichs wandte sich seit 1947 gegen die Inbesitznahme des Saarlandes durch die französische Großindustrie. Deren damaliger Vorsitzender Maurice Thorez (1900-1964) fürchtete einen künftigen Zankapfel zwischen Frankreich und Deutschland, wie es die Erfahrungen mit Elsass und Lothringen von 1870 bis 1918 oder dem Versailler Vertrag nach dem 1. Weltkrieg befürchten ließen.

 

Einzig die Saar-Kommunisten standen seit Gründung des Saarstaates im Jahr 1947 zu diesem anvisierten Status in Opposition und traten gegen ihn auf. Doch was dann in den Monaten vor und nach der Abstimmung am 23. Oktober 1955 an Dynamik gewann, weckte Erinnerungen an die Auseinandersetzungen von 1935, als es um die Frage „Anschluss an Hitler-Deutschland“ oder übergangsweise Fortführung des Völkerbundmandats, also den „Status quo“, ging. Damals standen die auf Ausgleich mit Frankreich bedachten Bevölkerungsteile denen mit deutschnationalen Parolen und Positionen unversöhnlich gegenüber.

 

 

 

In den 50er-Jahren keine einfache Position, herrschte doch kurz nach dem Krieg noch tiefes Misstrauen gegen das entstehende Westdeutschland mit ihrem Bundeskanzler Konrad Adenauer, der eine gegen die Linke restaurative Politik betrieb und dabei auf die alten Machteliten aus der NS-Zeit setzte. Deshalb konnte es auch kein einfaches „Pro oder Contra Deutschland“ geben. Die Kommunisten setzten ihre Hoffnungen auf ein geeintes Nachkriegsdeutschland, das, wenn es schon keinen sozialistischen Weg ging, wenigstens neutral und demilitarisiert blieb.

 

Die Niederlage von Hoffmann und Kirn bei der Volksabstimmung 1955 bedeutete daher keinen Sieg für die Saar-Kommunisten. Ihr Hauptziel, nämlich die Option auf ein geeintes Deutschland, blieb zwar gewahrt, wurde aber vor dem Hintergrund der Rollback-Politik negiert. Die großen Saarparteien CVP und SPS wurden als Ergebnis des Referendums innerhalb kürzester Zeit durch die sogenannten „pro-deutschen Parteien“ CDU und SPD marginalisiert. Großer Aufsteiger war die Demokratische Partei Saar (DPS), später FDP, unter ihrem Vorsitzenden Heinrich Schneider.

 

Schon am 24. Oktober, einen Tag nach dem Rücktritt der Regierung von Johannes Hoffmann, gehörten dem Kabinett des Übergangs-Ministerpräsidenten Heinrich Welsch keine Nazigegner mehr an. Ganz im Gegenteil. Eine einstige Mitgliedschaft in der NSDAP förderte jetzt politische Karrieren. Welsch selbst war bis 1935 Leiter der Gestapostelle in Trier und als „Spezialist“ zuständig für die Verfolgung von Hitlergegnern und ihre entsprechende „Behandlung“.

 

Auszug aus: Patric Bies: Kein Stadtteil für Hermann Röchling. Eine Nahaufnahme. Veröffentlicht in: Gerhard Bungert (Hrsg.): Straßen im Saarland, Nationalisten und Militaristen als Namensgeber. Saarbrücken 2014, Seiten 90ff.

 

 

e) kleinere Parteien und Gruppierungen

 

Arbeiter- und Bauernpartei Saar - sie war linksgerichtet, kämpfte aber für das Saarstatut.

 

CSU-Saar: Sie hatte sich Mitte der 50er-Jahre ohne Mitwirkung und Billigung der bayrischen CSU im Saarland gebildet, blieb eine unbedeutende Splitterpartei und erreichte bei der Landtagswahl 1955 nur 0,6 Prozent. 1957 vereinigte sie sich mit der CVP, und diese 1959 mit der CDU. Die CSU-Saar war für die Annahme des Saarstatus.

 

DDU - Deutsche Demokratische Union: eine linksgerichtete kleine Splitterpartei im Saarland; Nein zum Statut

 

DSB (Deutscher Saar-Bund):  war keine Partei; von der BRD aus tätig, Sitz in Frankfurt/Main; kämpfte für die Annahme des Saarstatuts.

 

DV oder DVP:  Im Oktober 1952 gründete sich die Deutsche Volkspartei und wurde am 7.11.1952 registriert. Bei der gut drei Wochen danach stattgefundenen Landtagswahl (am 30.11.1952) erreichte sie 3,4 %. Wegen der erstmals eingeführten 5%-Klausel erhielt sie keine Sitze im Landtag. Sie löste sich 1955 auf und fusionierte mit der damals wiedergegründeten DPS.

 

Europa-Bewegung des Saarlandes  - war keine Partei, unterstützte aber die Annahme des Saarstatuts

 

EU - europäischen Organisation; wurde wie die NEI laut Verfügung der Regierung hinsichtlich der Benutzung von Plakatwänden wie eine politische Parten betrachtet.

 

FDP Saar (Freie Deutsche Partei Saar)  -  liberal, hatte aber keine Verbindung zur bundesdeutschen FDP

 

NEI - siehe unter EU

 

UAPS  (Unabhängige Arbeiterpartei Saar)

 

ÜEVPS  (Übernationale Europäische Volkspartei Saar) - nahm 1955 an den Landtagswahlen teil und erhielt 0,4% der gültigen Stimmen.

 

  

f) MLS, später MRS

 

Neben den Parteien gab es als politische Bewegung das am 25. März 1945 von Exilsaarländern in Paris gegründete MLS (Mouvement pour la Libération de la Sarre - Bewegung für die Befreiung der Saar). Es wurde ab etwa Juli 1945 im Saarland aktiv. Etwa Ende 1945 benannte man es um in MRS (Mouvement pour le Rattachement de la Sarre à la France - Bewegung für den Anschluss der Saar an Frankreich).

 

Das MLS bzw. MRS  trat für die völlige Einverleibung der Saar durch Frankreich ein. Eine solche vollständige Eingliederung, die möglicherweise ursprünglich auch von verschiedenen französischen Politikern angedacht war, stieß bei den Alliierten, besonders bei den Russen und den Amerikanern, auf heftigen Widerstand.

 

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Literaturhinweis:

Becker, Winfried. Die Entwicklung der politischen Parteien im Saarland 1945 bis 1955 nach französischen Quellen. In: Hudemann, Rainer, Poidevin, Raymond (Hrsg.). Die Saar 1945–1955. Ein Problem der europäischen Geschichte. München, 1992. Seiten 253–296.

 


  

> zu unserer Seite Geschichtlicher Überblick (Tabellarische Übersicht über die wichtigsten politischen Ereignisse im Saarstaat) 

 


Diese Seite wurde begonnen am 13. August 2008 und zuletzt bearbeitet am 12.8.2020

                 

 

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